Redebeitrag Wagendemo 10.4.96

In der BRD leben mehrere tausend Menschen auf Rädern. Die meisten davon auf Stellflächen, wo sie sich für längere Zeit ihren Lebensmittelpunkt geschaffen haben und in Gruppen zusammen wohnen. Bundesweit gibt es mindestens ca. 100 solcher Wagenplätze, allein in Berlin befinden sich 13 Wagenplätze mit ca. 700 BewohnerInnen. Einige der Berliner Wagenburgen existieren bereits seit den 80er Jahren, andere haben sich im Zuge der Zugänglichmachung des Mauerstreifens und der sich verschärfenden Wohnungsnot in den vergangenen fünf Jahren angesiedelt.
Das Leben im Wagen ist in der BRD keine allgemein anerkannte Wohnform, ist nicht rechtlich abgesichert und unterliegt deshalb zumeist einer mehr oder weniger starken Räumungsbedrohung. Bei den Berliner Wagenburgen ist es beispielsweise so, daß acht innerhalb des Innenstadtrings liegen und laut einer im vergangenen Frühling getroffenen Koalitionsvereinbarung verschwinden sollen.

Als am stärksten räumungsbedroht gilt die Wagenburg an der East-Side-Gallery. Sie sollte ursprünglich noch in diesem Jahr geräumt werden, um einer Grünfläche mit Erlebnispark und Gewerbefläche Platz zu machen, obwohl Planungsverfahren noch in der Schwebe und Eigentumsverhältnisse ungeklärt sind. Inwieweit die jüngsten Hetzkampagnen konservativer Medien und der CDU die Räumung beschleunigen, kann derzeit nur gemutmaßt werden.

Das Gelände des Wagenplatzes Schillingbrücke soll an einen privaten Investor verkauft werden, um dort ein Bürogebäude errichten zu lassen und die Wagenburg "Schwarzer Kanal" soll zugunsten der Spree-Uferpromenade weichen.

Die Wagenburg Lohmühle soll verschwinden, um freifinanziertem Wohnungsbau, einer Kita und einer Dampferanlegestelle Platz zu machen.

Der Wagenplatz am Kinderbauernhof Mauerplatz und der Kinderbauernhof selbst werden ab diesem Frühjahr durch Gewerbehofzufahrt mit LKW-Wendeplatz und durch eine Kita bzw. deren Freiflächenplanung massiv in ihren Flächen beschnitten.

Die Wagenburg Kreuzdorf muß vorraussichtlich ebenfalls große Flächen abgeben, wenn ab 98 der Bethaniendamm für Durchgangsverkehr geöffnet wird.

Im den besetzten Häusern Marchstraße/Einsteinufer gibt es Räumungstitel gegen einige Personen. Die Räumungen der besetzten Häuser Palisadenstr.49 und Kleine Hamburger Str. 5 vor zwei Wochen haben außerdem gezeigt, daß sich über die Berliner Linie hinweggesetzt wurde und daß es außerdem anscheinend keine Relevanz hatte, daß gegen die Bewohnerinnen - mit einer einzigen Ausnahme - noch nicht einmal ein Räumungstitel vorlag. Eine Räumung der Gebäude würde jedenfalls auch das Ende für die dortigen WagenbewohnerInnen bedeuten.

Die letzten verbliebenen Rollheimer am Potsdamer Platz mußten im September 95 ihr Gelände verlassen und befinden sich nun auf einem Kirchengelände in der Oderstr./Neukölln. Eine geplante Hofbegrünung und eine Kita bedrohen sie ab diesem Frühjahr in ihrer weiteren Existenz.

Die Walde-Wagenburg am Engelbecken wurde bereits im Oktober 93 geräumt. An ihrer Stelle wurde ein Sportplatz installiert. Dieser Sportplatz war den beteiligten Senatsverwaltungen zwei Mio. DM wert. Das Geld hätte allerdings sinnvoller ausgegeben werden können, da dieser Sportplatz von Beginn an nur als Zwischennutzung geplant war und bereits zwei Jahre später zugunsten von Wohnungsbau wieder entfernt wurde. Als Ausweichstandort für die Walde wurde seinerzeit ein Wagenplatz in der Pankgrafenstr. in Karow auf dem Gelände einer ehemaligen Schweinemastanstalt hergerichtet, was dem Prinzip des Wagenplatzes in der Wuhlheide folgt. In dieser Art scheinen sich die Senatsverwaltungsbehörden die Zukunft von WagenbewohnerInnen vorzustellen: An den Stadtrand geschoben mit mindestens zehn Minuten Fußweg zu nächsten Einfamilienhaus, ohne Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und ohne soziale oder wirtschaftliche Infrastruktur in der Umgebung.

Diese Tendenz ist bundesweit. Oft werden Wagenburgen nur geduldet oder es werden Ausweichmöglichkeiten geboten, welche am Stadtrand oder außerhalb liegen, wo der Boden und/oder die Luft kontaminiert ist, das Gelände neben einer Autobahn oder Bahnlinie liegt, neben lärmenden und stinkenden Fabriken, in Einflugschneisen von Flughäfen oder ähnlichen Nachbarn, die einem den Alltag versauen können. Meistens treffen sogar mehrere dieser Faktoren zusammen. Für derartige Flächen wurden in einigen Städten auch Verträge mit den WagenbewohnerInnen abgeschlossen, welche jedoch immer befristet und zumeist mit Auflagen verbunden sind und somit auch wiederum Einschränkungen bedeuten. Ansonsten werden wir von vielfach von Behörden übergangen, es wird nicht mit uns verhandelt, und es wird über unsere Köpfe hinweg geplant.
Die Ursachen für diesen Umgang mit uns sind wohl darin zu suchen, daß wir - so wörtlich- " nicht in das Stadtbild passen", "Slums" darstellen oder daß uns einfach das Recht abgesprochen wird, unsere Vorstellungen von Wohnen und Zusammenleben auszuprobieren. Diese unsere Vorstellungen laufen natürlich einer profitorientierten Stadt- und Gesellschaftsordnung zuwider.
Wir gelten als nicht verwertbar innerhalb der schönen, neuen Hochglanzstädte, wo nur noch bleiben darf, was sich irgendwie vermarkten läßt.
Diesen Vermarktungsinteressen innerhalb der Stadtentwicklung sind nicht nur Wagenburgen unterworfen. Die Konkurrierung der Städte im Kampf um Wirtschaftsstandorte, die Entwicklung zur nach-industriellen Dienstleistungsgesellschaft und die zunehmende Polarisierung der Bevölkerung greift zunehmend in den Alltag aller ein. Dabei führt gerade in Berlin der Umbau der Stadt zur Dienstleistungsmetropole mit Hauptstadt- und Regierungssitzkonzept zu stärkeren Verdrängungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen als anderswo.Beschleunigt werden diese Maßnahmen durch die Bodenaufwertung in Folge von flächenfressendem Eigenheimbau, Sanierungen und in Folge vom Poker um die lukrativsten Innenstadtstandorte. Das bisherige Ergebnis ist die nach oben geschraubte Spirale: hohe Bodenpreise, hohe Baukosten, hohe Mieten. Bautätigkeiten finden nur noch in den profitabelsten Bereichen statt, immer größere Mengen von Nutzungen werden ausgeschlossen. Dabei wachsen die Städte unermüdlich ins Umland hinein, mit Gewerbegebieten auf der grünen Wiese und Speckgürteln, gepflegten Eigenheimen und Billig-Wohnsiedlungen. Im Stadtinnenraum wird mit möglichst viele Geschossen nachverdichtet. Das und der zunehmende Straßenbau führen u.a. dazu, daß in der BRD die jährliche Zunahme versiegelter Flächen dem Umfang einer mittleren Stadt entspricht. Die ökologischen Folgen dieser Bauwut und ihrer Begleitumstände wie erhöhter Verkehr bilden jedoch nur einen Faktor. Im Vordergrund stehen für uns zunächst die sozialen Folgen. Ein Ergebnis ist die schon sattsam bekannte Wohnungsnot. An ihr ändert auch die Bauwut nichts, da der Anteil der Wohnflächen im Vergleich zu gewerblichen Flächen bei Neubauten verschwindend gering ist. Dabei stehen bereits in allen Großstädten hunderttausende von Quadratmetern Bürofläche leer, während es hingegen de facto kaum noch bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen gibt. Außerdem ist gerade dieser Teilmarkt der billigeren Wohnungen in der Regel mit erhöhter behördlicher Verwaltung oder mit repressiven VermieterInnen verbunden.
Die aus der Mietpreisbindung herausfallenden Sozialwohnungen werden nicht ersetzt und die Mieten der Wohnungen des freien Marktes steigen ständig. Eine Ursache für das Ansteigen der Mietpreise in Altbauvierteln ist der von den Stadtzentren ausgehende Verwertungsdruck und die mit Sanierung und dem Zuzug besser verdienender Bevölkerungsschichten verbundene Aufwertung.
Am Anfang war immer die Subkultur, die MigrantInnen, die Studis, welche ein alternatives Ambiente schaffen. Nach der Subkultur kommen Yuppies, mit den Yuppies die Boutiquen und Edelrestaurants, danach die Verkehrsberuhigung. Das gepflegte Wohnumfeld wird auf die Mieten umgelegt und angestammtes Kleingewerbe, MigrantInnen, Familien können sich weder Wohnung noch Stadtteil mehr leisten. All diejenigen, welche nicht die nun geforderte Kaufkraft aufweisen, müssen ausweichen und werden an den Stadtrand gedrängt. Am härtesten trifft es dabei natürlich diejenigen, welche keine finanziellen Reserven haben. Das führt auch dazu, daß sozialen Initiativen die kommunalen Mittel gestrichen werden, da solche als konsumptive Projekte innerhalb des kommunale n Haushalts gelten, d.h. daß sie mehr Geld verbrauchen als sie erwirtschaften, wobei die sozialen Folgekosten jedoch nicht in der Gesamtbilanz auftauchen. Viele Beratungsstellen, Frauenhäuser, Kulturprojekte und Jugendzentren mußten aus diesem Grund schon schließen - weitere sind in ihrer Existenz bedroht. Ein weiterer Gipfel des Umstrukturierungseisberges ist dabei die steigende Obdachlosigkeit. Allein in Berlin werden von freien Wohlfahrtsträgern Zahlen bis zu 50.000 genannt. Bundesweit gibt es über eine Million Obdachlose. Die kommunalbehördliche Antwort lautet dabei: Das Problem wird nicht gelöst, sondern verlagert. Damit der Vogel Strauß namens Stadtverwaltung seinen Kopf in gepflegten Sand stecken kann, werden Obdachlose wie auch Junkies, Bettler und fliegende Händler aus der aufpolierten Innenstadt verbannt. Dies geschieht mittels Bulleneinsätzen, aber auch reine Aufenthaltsmöglichkeiten werden seltener. Warmluftschächte gibt es immer weniger, Suppenküchen werden geschlossen, öffentliche Sitzänke werden abgebaut oder durch solche ersetzt, welche das Daraufliegen unmöglich machen, öffentliche Wege werden zu überwachten Zonen und Bahnstationen verwandeln sich in Hochsicherheitsgebiete, aus denen alle verschwinden müssen, welche nicht ins gepflegte Bild passen.
In diesen sozial- und sicherheitspolitischen Maßnahmen zeigt sich die Tendenz zur Kriminalisierung von Armut. Der Berliner Innensenat richtete dazu vor knapp drei Jahren vier sogenannte operative Gruppen der Bullerei ein, welche für City-West, Alex-City-Ost, Potse und SO 36 zuständig sind. Es gilt, die kommerziellen Zentren von - so wörtlich - "Beeinträchtigung" sauber zu halten, wozu zählt: Bettler, Obdachlose, Prostituierte, ausländische Spieler, Punks und Jugendgangs. Parallel dazu kontrolliert der BGS mit ca. 500 Beamten in Berlin S- U- und Fernbahnhöfe, um diese von Obdachlosen freizuhalten. Bundesweit ist der BGS auf Bahnhöfen und Flughäfen bereits seit vier Jahren im Einsatz. Die Aufzählung von Einsatzkräften für Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit, auch privaten, ließe sich fortsetzten, da neben BGS und Bullerei auch noch unzählige private Sicherheitsdienste beschäftigt sind. Diese privaten Dienste befinden sich gerade in einer Boom-Phase, zu ihrem Einsatzgebiet gehört neben alltäglicher Kontrolle auch - allerdings nicht legal - das Räumen besetzter Häuser und das Verhaften abgelehnter AsylbewerberInnen. Geschützt werden soll hier die Ober- und Mittelklasse und vor allem deren Besitz. Die heftigen Konsequenzen dieser "Wohlstandsbannmeilen" müssen diejenigen tragen, welche ohnehin schon benachteiligt sind. Damit folgt die BRD der Tradition des wilhelminischen Kaiserreiches und den Anforderungen des damals aufkommenden Besitzbürgertums: Die härtesten Strafen folgten immer schon auf Wohlstandsdelikte. Das Ergebnis der Sicherheitspolitik ist, daß durch Kontrolle öffentlicher und halböffentlicher Raum zu privatem wird. Dieser Raubbau an öffentlichem Raum geht dabei oft Hand in Hand mit Architektur und Stadtplanung. Die Innenstädte werden mit shopping-malls, Passagen, Plazas und Galerien zu riesigen Konsumtempeln verwandelt, deren Heiligkeit der Profit ist, welcher mittels polierter Fassaden, vielen Spiegeln und ausgefeilter Halogenbeleuchtungstechnik präsentiert wird. Dazwischen stehen repräsentative Bürogebäude mit Arbeitsplätzen für die Dienstleistungsgesellschaft, Direktionszentralen großer Konzerne und einige wenige Loft- Wohnungen mit Mieten, welche sich keine normale Familie mehr leisten kann, in denen sich gestreßte Berufstätige für lediglich wenige Stunden in der Nacht aufhalten.
Die Entwicklung der Innenstadt geht in Richtung Tummelplatz für profilneurotische Bauherren, in Richtung eines gigantischen Kaufhaus, welches von Interessensgemeinschaften, bestehend aus Konzernen, Verwaltungsbehörden und Verbänden des Handels, der Gastronomie und des Handels gemänätscht wird.
Nach der Festung Europa werden nun auch die Innenstädte zu Festungen. Zu Bollwerken gegen die Armut. Die Entwicklung geht dabei an den Bedürfnissen der meisten Menschen vorbei. Die Innenstädte werden den StadtbewohnerInnen genommen, die wenigen Wohnungs- und Kulturangebote können als Alibiveranstaltungen gelten. In diesen Innenstädten gibt es keine Aneignungsmöglichkeiten mehr, alle Flächen sind überplant und es gibt keine Freiräume mehr. In diesen Innenstädten wird nicht mehr gelebt, sondern nur noch verkauft. Dementsprechend eindimensional sehen mittlerweile schon weite Teile der Stadtzentren aus, wo glas- und edelstahlglänzende Oberflächen von Kameras überwacht werden und nachts kein Mensch mehr auf der Straße ist, weil dort nicht mehr gewohnt wird. Wo eigentlich ein lebendiges, dichtes, vielfältiges und kommunikatives Stadtzentrum sein sollte, stellt sich eine sterile Businesswelt dar.
Lediglich einigen Anforderungen der Marktwirtschaft wird Rechnung getragen, und wieder einmal haben einige wenige eine Masse verdient, während die Masse der Menschen einiges an Lebensqualität in ihrer Stadt und ihrem Alltag verloren hat.
Diese schöne neue Welt ist gerade im Entstehen begriffen. Es betrifft also nicht nur Wagenplätze, sondern die jüngste Stadtentwicklung wirkt sich auf den größten Teil der Bevölkerung negativ aus, und es ist drei Minuten vor zwölf, dagegen einzugreifen. Es gilt daher allgemein, nicht nur für den Erhalt der eigenen Nische zu kämpfen, sondern auch über den Tellerrand hinauszuschauen und solidarisch zu handeln.
Dem Wagenwohnen an sich kommt dabei besondere Bedeutung zu. Wir organisieren uns auf unseren Plätzen selbst, entziehen uns dabei dem Wohnungsmarkt, gebrauchen vielfach den Abfall der Wegwerfgesellschaft und gehen bewußt mit Ressourcen wie z.B. Wasser um. Wir eignen uns brachliegende Flächen an und nutzen sie sinnvoll. Wir wollen und wir lassen uns nicht verwerten. Außerdem wollen wir in den Innenstädten bleiben. Wir sind durch Arbeit- und Ausbildungsverhältnisse und durch unsere sozialen Bezüge an die Innenstädte gebunden. Außerdem müssen unkommerzielle Nutzungen auch in Innenstädten möglich sein. Die Qualität von städtischem Lebensraum wird nicht hergestellt durch die monofunktionale Handels- und Dienstleistungs- "Stadt- in-der-Stadt", sondern durch vielfältige Nutzungsmischung. Der auf Wagenplätzen gelebte Alltag ist dabei oft die Verbindung von Wohnen, Arbeiten, Kultur und sozialer Versorgung.
Wagenplätze sind keine an den Stadtrand zu drängenden Slums, sondern eine Bereicherung der städtischen Vielfalt, der urbanen Dichte und schon alleine deshalb erhaltungswürdig. Dabei kosten sie kein Geld und versiegeln keine Flächen. Oftmals gibt es Veranstaltungen auf Wagenplätzen und wir üben auf Bereiche, die sonst Nachts unbelebte Flächen wären, soziale Kontrolle aus.
Unabhängig davon gibt es uns einfach - wir werden immer mehr und wir wollen endlich als eigenständige alternative Wohn- und Lebensform anerkannt werden.

Die Stadt gehört nicht dem Kapital und nicht der Verwaltung. Die Stadt gehört den Menschen, die in ihr leben. Mit der Kraft unserer Träume gegen die blutleere Kälte.

Wir fordern:

Sensibilität, Menschlichkeit und Solidarität mit allen, die ohne Wohnung oder unter schlechten Wohnbedingungen leben müssen, insbesondere Obdachlose, AsylbewerberInnen und ausländische Menschen.

Gleichberechtigung, Akzeptanz und Förderung aller Wohnformen außerhalb der gängigen Eigentums- und Einzelmietvertragswohnungen. Dies gilt besonders für Sinti- und Romawagenplätze, besetzte Häuser und Wagenburgen.

eine Gesellschaftsordnung, welche nicht mehr kapitalistischen Verwertungsinteressen unterliegt und eine Verankerung von allgemeinem Recht auf Wohnen und sozialer Absicherung. Wohnraum darf keine Ware sein.

die Anerkennung und rechtliche Absicherung der Wagenplätze als alternative Wohn- und Lebensform allgemein, sozial, kulturell und politisch.


An die Medien
Berlin, den 10.4.1996

Presseerklärung der bundesweiten Wagentage in Berlin zum Polizeieinsatz nach der Abschlußdemonstration am 10.4.1996.

Vom 4.-10.4 fand in Berlin das bundesweite Wagentreffen statt. Den Abschluß bildete eine gemeinsame Demonstration mit HausbesetzerInnen unter dem Motto: "gegen fortschreitende Umstrukturierung - die Städte den Menschen, die dort leben". An unserer Demonstration beteiligten sich ca. 400 Leute und 25 Fahrzeuge - teils bewohnte LKWs, teils Zugmaschinen aus dem gesamten Bundesgebiet.
Die genehmigte Demonstration begann in der Köpenicker Straße und endete am Rosa-Luxemburg- Platz. Durch übermäßige und provokative Polizeipräsenz, deren "Notwendigkeit" mit Häuserräumungen und den Vorfällen an der East-Side-Gallery begründet wurde, verzögerte sich der Beginn der Demonstration um mehr als eine Stunde. Mehrere Fahrzeuge sollten von der Teilnahme ausgeschlossen werden, da die Polizei deren Einrichtungsgegenstände als "Bewaffnung" deklarierte, wie z. B. Werkzeug und Eßbesteck. Mehrfach wurden Personen durchsucht.
Trotz aller Schikanen verlief unsere Demonstration friedlich und lebendig und wurde durchweg positiv aufgenommen.
Eine Abschlußkundgebung beendete die Demonstration am Rosa-Luxemburg-Platz. Als MedienvertreterInnen und viele DemonstrationsteilnehmerInnen bereits gegangen waren und die Demonstration von den VeranstalterInnen aufgelöst wurde, unterzog die Polizei sämtliche Fahrzeuge einer erneuten Kontrolle. Diese bezog sich jetzt auf die Verkehrssicherheit der LKWs, Traktoren und Anhänger. Akribisch wurden von der Polizei z.T. vermutete Sicherheitsmängel aufgelistet, um die Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen zu können und zu beschlagnahmen. Der zuständige Einsatzleiter war im Laufe der Kontrollen trotz mehrfacher Nachfrage nicht mehr erreichbar. Erst nachdem die Beschlagnahme unwiderruflich ausgesprochen wurde, fand sich der Einsatzleiter vor Ort ein. Vier Fahrzeuge mit drei Anhängern wurden eingezogen und zwangsweise abgeschleppt.
In diesem Falle wurden nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Wohnraum willkürlich beschlagnahmt, wodurch die Obdachlosigkeit der BewohnerInnen billigend in Kauf genommen wurde. Natürlich standen die Betroffenen und die noch verbliebenen DemonstrationsteilnehmerInnen dem polizeilichen Vorgehen nicht protestlos gegenüber. Unsere Verhandlungsversuche wurden von der Polizei ignoriert und Protestreaktionen in Form von Menschenketten und Sitzblockaden mit polizeilicher Gewalt beendet. Dabei wurden fünf Personen wahllos festgenommen und mehrere verletzt.
Das aggressive und provokante Vorgehen sollte offensichtlich eine Eskalation bewirken, um eine Verschlechterung des politischen Klimas zuungunsten von Wagenplätzen und besetzten Häusern in Berlin voranzutreiben. Wir sehen diese geplante Polizeiaktion nicht nur als Produkt allgemeiner Verachtung unserer Lebensform, sondern auch im Zusammenhang mit dem Kalkül, Wagenplätze aus dem Innenstadtbereich zu verdrängen und selbst entgegen der "Berliner Linie" besetzte Häuser zu räumen.

Wir verurteilen die Kriminalisierung unserer Lebensweise.

Wir fordern die sofortige Einstellung aller Strafverfahren sowie die unverzügliche Herausgabe der Zugmaschinen, Wohnfahrzeuge und -anhänger.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Wagenburg am Kinderbauernhof Mauerplatz Bethaniendamm 59 10999 Berlin

WOHNRAUM BESCHLAGNAHMT und stillgelegt !!!

Vom 4.-10.4 fand in Berlin das bundesweite Wagentreffen statt. Den Abschluß bildete eine gemeinsame Demonstration mit HausbesetzerInnen unter dem Motto: "gegen fortschreitende Umstrukturierung - die Städte den Menschen, die dort leben". An unserer Demonstration beteiligten sich ca. 400 Leute und 25 Fahrzeuge - teils bewohnte Lkws, teils Zugmaschinen aus dem gesamten Bundesgebiet.
Die genehmigte Demonstration begann in der Köpenicker Straße und endete am Rosa-Luxemburg- Platz. Durch übermäßige und provokative Polizeipräsenz, deren "Notwendigkeit" mit Häuserräumungen und den Vorfällen an der East-Side-Gallery begründet wurde, verzögerte sich der Beginn der Demonstration um mehr als eine Stunde. Mehrere bewohnte Fahrzeuge sollten von der Teilnahme ausgeschlossen werden, da die Polizei deren Einrichtungsgegenstände als "Bewaffnung" deklarierte: Die für uns unentbehrliche Axt zum Holzhacken und unsere Eßbestecke wurden in der Presse zu "Waffen" hochstilisiert. Mehrfach wurden Personen durchsucht; drei Personen wurden durch vorübergehende Festnahme an der Teilnahme gehindert.
Trotz aller Schikanen verlief unsere Demonstration friedlich und lebendig und wurde durchweg positiv aufgenommen.
Eine Abschlußkundgebung beendete die Demonstration am Rosa-Luxemburg-Platz. Als MedienvertreterInnen und viele DemonstrationsteilnehmerInnen bereits gegangen waren und die Demonstration von den VeranstalterInnen aufgelöst wurde, unterzog die Polizei ausgewählte Fahrzeuge einer erneuten Kontrolle. Diese bezog sich jetzt auf die Verkehrssicherheit der Lkws, Traktoren und Anhänger. Akribisch wurden von der Polizei z.T. vermutete Sicherheitsmängel aufgelistet, um die Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und zu beschlagnahmen zu können.

Diese Maßnahmen sehen wir als Schikane und Einschüchterung an:
Einerseits kontrollierte die Polizei nicht alle Fahrzeuge, sondern nur die ersten vier in der Kolonne, was bedeutet, daß es ihnen nicht wirklich um Verkehrssicherheit ging. Andererseits wurden alle Zugmaschinen konfisziert, eine sogar ohne jede technische Untersuchung. Dies kann im Zusammenhang mit den von Innensenator Schönbohm angekündigten Räumungen von Wagenplätzen ohne Schaffung von Ersatzgelände stehen; auf jeden Fall wird es uns so unmöglich gemacht, unsere Wohnungen vor Räumungen zu retten. Es wurden drei Zugmaschinen mit Wohnanhängern und ein bewohnter LKW beschlagnahmt und abgeschleppt. Die Volksbühne bot der Polizei an, die beschlagnahmten Fahrzeuge auf ihrem direkt angrenzenden Privatgelände abzustellen. Die Polizei lehnte ab. Innerhalb einer Stunde wurden eine Familie mit Kind und drei weitere Menschen obdachlos gemacht.
Der zuständige Einsatzleiter war im Laufe der Kontrollen trotz mehrfacher Nachfrage nicht mehr erreichbar. Erst nachdem die Beschlagnahmen unwiderruflich ausgesprochen wurden, fand sich der Einsatzleiter vor Ort ein.
Natürlich standen die Betroffenen und die noch verbliebenen DemonstrationsteilnehmerInnen dem polizeilichen Vorgehen zwar hilflos, aber nicht ohne Protest gegenüber. Unsere Verhandlungsversuche wurden trotz Anwesenheit einer Anwältin von der Polizei ignoriert und Protestreaktionen in Form von Menschenketten und Sitzblockaden mit polizeilicher Gewalt beendet. Dabei wurden fünf Personen wahllos festgenommen und mehrere verletzt.
Das aggressive und provokante Vorgehen sollte offensichtlich eine Eskalation bewirken, um eine Verschlechterung des politischen Klimas gegen Wagenplätze und besetzte Häuser in Berlin voranzutreiben. Wir sehen diese geplante Polizeiaktion nicht nur als Produkt allgemeiner Verachtung unserer Lebensform, sondern auch im Zusammenhang mit dem Kalkül, Wagenplätze aus dem Innenstadtbereich zu verdrängen. Stumpf und mit Gewalt soll diese Stadt von allen Menschen "gesäubert" werden, die nicht in die schöne neue Hauptstadtwelt passen.
Die festgenommenen Personen sind wieder draußen. Unsere Fahrzeuge haben wir zwei Tage später auch zurückbekommen, allerdings nach wie vor stillgelegt. Was noch an Kosten auf uns zukommt, ist noch nicht abzusehen; es wird jedoch eine ganze Menge werden.

Wir verurteilen die Kriminalisierung unserer Lebensweise.

Wir fordern die sofortige Einstellung aller Strafverfahren und die Rücknahme der Kosten für Abschleppung, Sicherstellung, Gutachten und andere überflüssige Schikanen.

Wir fordern, daß BesitzerInnen eines bewohnten, aber verkehrsunsicheren Fahrzeugs in die Lage versetzt werden müssen, den Wohnraum weiter zu bewohnen und das Fahrzeug auf einem selbstgewählten Gelände wieder verkehrssicher zu machen.

Wegen der enormen uns entstandenen Kosten bitten wir um Unterstützung auf das Spendenkonto: Ina Deter, Postbank Berlin, BLZ 100 100 10, Kontonr. 753366-101, Stichwort: "Rosa Luxemburg"


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