In der BRD leben mehrere tausend Menschen auf Rädern. Die meisten
davon auf Stellflächen, wo sie sich für längere Zeit ihren
Lebensmittelpunkt geschaffen haben und in Gruppen zusammen wohnen. Bundesweit
gibt es mindestens ca. 100 solcher Wagenplätze, allein in Berlin befinden
sich 13 Wagenplätze mit ca. 700 BewohnerInnen. Einige der Berliner
Wagenburgen existieren bereits seit den 80er Jahren, andere haben sich
im Zuge der Zugänglichmachung des Mauerstreifens und der sich verschärfenden
Wohnungsnot in den vergangenen fünf Jahren angesiedelt.
Das Leben im Wagen ist in der BRD keine allgemein anerkannte Wohnform,
ist nicht rechtlich abgesichert und unterliegt deshalb zumeist einer mehr
oder weniger starken Räumungsbedrohung. Bei den Berliner Wagenburgen
ist es beispielsweise so, daß acht innerhalb des Innenstadtrings
liegen und laut einer im vergangenen Frühling getroffenen Koalitionsvereinbarung
verschwinden sollen.
Als am stärksten räumungsbedroht gilt die Wagenburg an der East-Side-Gallery.
Sie sollte ursprünglich noch in diesem Jahr geräumt werden, um
einer Grünfläche mit Erlebnispark und Gewerbefläche Platz
zu machen, obwohl Planungsverfahren noch in der Schwebe und Eigentumsverhältnisse
ungeklärt sind. Inwieweit die jüngsten Hetzkampagnen konservativer
Medien und der CDU die Räumung beschleunigen, kann derzeit nur gemutmaßt
werden.
Das Gelände des Wagenplatzes Schillingbrücke soll an einen
privaten Investor verkauft werden, um dort ein Bürogebäude errichten
zu lassen und die Wagenburg "Schwarzer Kanal" soll zugunsten
der Spree-Uferpromenade weichen.
Die Wagenburg Lohmühle soll verschwinden, um freifinanziertem
Wohnungsbau, einer Kita und einer Dampferanlegestelle Platz zu machen.
Der Wagenplatz am Kinderbauernhof Mauerplatz und der Kinderbauernhof
selbst werden ab diesem Frühjahr durch Gewerbehofzufahrt mit LKW-Wendeplatz
und durch eine Kita bzw. deren Freiflächenplanung massiv in ihren
Flächen beschnitten.
Die Wagenburg Kreuzdorf muß vorraussichtlich ebenfalls große
Flächen abgeben, wenn ab 98 der Bethaniendamm für Durchgangsverkehr
geöffnet wird.
Im den besetzten Häusern Marchstraße/Einsteinufer gibt
es Räumungstitel gegen einige Personen. Die Räumungen der besetzten
Häuser Palisadenstr.49 und Kleine Hamburger Str. 5 vor zwei
Wochen haben außerdem gezeigt, daß sich über die Berliner
Linie hinweggesetzt wurde und daß es außerdem anscheinend keine
Relevanz hatte, daß gegen die Bewohnerinnen - mit einer einzigen
Ausnahme - noch nicht einmal ein Räumungstitel vorlag. Eine Räumung
der Gebäude würde jedenfalls auch das Ende für die dortigen
WagenbewohnerInnen bedeuten.
Die letzten verbliebenen Rollheimer am Potsdamer Platz mußten
im September 95 ihr Gelände verlassen und befinden sich nun auf einem
Kirchengelände in der Oderstr./Neukölln. Eine geplante Hofbegrünung
und eine Kita bedrohen sie ab diesem Frühjahr in ihrer weiteren Existenz.
Die Walde-Wagenburg am Engelbecken wurde bereits im Oktober 93 geräumt.
An ihrer Stelle wurde ein Sportplatz installiert. Dieser Sportplatz war
den beteiligten Senatsverwaltungen zwei Mio. DM wert. Das Geld hätte
allerdings sinnvoller ausgegeben werden können, da dieser Sportplatz
von Beginn an nur als Zwischennutzung geplant war und bereits zwei Jahre
später zugunsten von Wohnungsbau wieder entfernt wurde. Als Ausweichstandort
für die Walde wurde seinerzeit ein Wagenplatz in der Pankgrafenstr.
in Karow auf dem Gelände einer ehemaligen Schweinemastanstalt hergerichtet,
was dem Prinzip des Wagenplatzes in der Wuhlheide folgt. In dieser Art
scheinen sich die Senatsverwaltungsbehörden die Zukunft von WagenbewohnerInnen
vorzustellen: An den Stadtrand geschoben mit mindestens zehn Minuten Fußweg
zu nächsten Einfamilienhaus, ohne Anbindung an den öffentlichen
Nahverkehr und ohne soziale oder wirtschaftliche Infrastruktur in der Umgebung.
Diese Tendenz ist bundesweit. Oft werden Wagenburgen nur geduldet oder
es werden Ausweichmöglichkeiten geboten, welche am Stadtrand oder
außerhalb liegen, wo der Boden und/oder die Luft kontaminiert ist,
das Gelände neben einer Autobahn oder Bahnlinie liegt, neben lärmenden
und stinkenden Fabriken, in Einflugschneisen von Flughäfen oder ähnlichen
Nachbarn, die einem den Alltag versauen können. Meistens treffen sogar
mehrere dieser Faktoren zusammen. Für derartige Flächen wurden
in einigen Städten auch Verträge mit den WagenbewohnerInnen abgeschlossen,
welche jedoch immer befristet und zumeist mit Auflagen verbunden sind und
somit auch wiederum Einschränkungen bedeuten. Ansonsten werden wir
von vielfach von Behörden übergangen, es wird nicht mit uns verhandelt,
und es wird über unsere Köpfe hinweg geplant.
Die Ursachen für diesen Umgang mit uns sind wohl darin zu suchen,
daß wir - so wörtlich- " nicht in das Stadtbild passen",
"Slums" darstellen oder daß uns einfach das Recht abgesprochen
wird, unsere Vorstellungen von Wohnen und Zusammenleben auszuprobieren.
Diese unsere Vorstellungen laufen natürlich einer profitorientierten
Stadt- und Gesellschaftsordnung zuwider.
Wir gelten als nicht verwertbar innerhalb der schönen, neuen Hochglanzstädte,
wo nur noch bleiben darf, was sich irgendwie vermarkten läßt.
Diesen Vermarktungsinteressen innerhalb der Stadtentwicklung sind nicht
nur Wagenburgen unterworfen. Die Konkurrierung der Städte im Kampf
um Wirtschaftsstandorte, die Entwicklung zur nach-industriellen Dienstleistungsgesellschaft
und die zunehmende Polarisierung der Bevölkerung greift zunehmend
in den Alltag aller ein. Dabei führt gerade in Berlin der Umbau der
Stadt zur Dienstleistungsmetropole mit Hauptstadt- und Regierungssitzkonzept
zu stärkeren Verdrängungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen
als anderswo.Beschleunigt werden diese Maßnahmen durch die Bodenaufwertung
in Folge von flächenfressendem Eigenheimbau, Sanierungen und in Folge
vom Poker um die lukrativsten Innenstadtstandorte. Das bisherige Ergebnis
ist die nach oben geschraubte Spirale: hohe Bodenpreise, hohe Baukosten,
hohe Mieten. Bautätigkeiten finden nur noch in den profitabelsten
Bereichen statt, immer größere Mengen von Nutzungen werden ausgeschlossen.
Dabei wachsen die Städte unermüdlich ins Umland hinein, mit Gewerbegebieten
auf der grünen Wiese und Speckgürteln, gepflegten Eigenheimen
und Billig-Wohnsiedlungen. Im Stadtinnenraum wird mit möglichst viele
Geschossen nachverdichtet. Das und der zunehmende Straßenbau führen
u.a. dazu, daß in der BRD die jährliche Zunahme versiegelter
Flächen dem Umfang einer mittleren Stadt entspricht. Die ökologischen
Folgen dieser Bauwut und ihrer Begleitumstände wie erhöhter Verkehr
bilden jedoch nur einen Faktor. Im Vordergrund stehen für uns zunächst
die sozialen Folgen. Ein Ergebnis ist die schon sattsam bekannte Wohnungsnot.
An ihr ändert auch die Bauwut nichts, da der Anteil der Wohnflächen
im Vergleich zu gewerblichen Flächen bei Neubauten verschwindend gering
ist. Dabei stehen bereits in allen Großstädten hunderttausende
von Quadratmetern Bürofläche leer, während es hingegen de
facto kaum noch bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen
gibt. Außerdem ist gerade dieser Teilmarkt der billigeren Wohnungen
in der Regel mit erhöhter behördlicher Verwaltung oder mit repressiven
VermieterInnen verbunden.
Die aus der Mietpreisbindung herausfallenden Sozialwohnungen werden nicht
ersetzt und die Mieten der Wohnungen des freien Marktes steigen ständig.
Eine Ursache für das Ansteigen der Mietpreise in Altbauvierteln ist
der von den Stadtzentren ausgehende Verwertungsdruck und die mit Sanierung
und dem Zuzug besser verdienender Bevölkerungsschichten verbundene
Aufwertung.
Am Anfang war immer die Subkultur, die MigrantInnen, die Studis, welche
ein alternatives Ambiente schaffen. Nach der Subkultur kommen Yuppies,
mit den Yuppies die Boutiquen und Edelrestaurants, danach die Verkehrsberuhigung.
Das gepflegte Wohnumfeld wird auf die Mieten umgelegt und angestammtes
Kleingewerbe, MigrantInnen, Familien können sich weder Wohnung noch
Stadtteil mehr leisten. All diejenigen, welche nicht die nun geforderte
Kaufkraft aufweisen, müssen ausweichen und werden an den Stadtrand
gedrängt. Am härtesten trifft es dabei natürlich diejenigen,
welche keine finanziellen Reserven haben. Das führt auch dazu, daß
sozialen Initiativen die kommunalen Mittel gestrichen werden, da solche
als konsumptive Projekte innerhalb des kommunale n Haushalts gelten, d.h.
daß sie mehr Geld verbrauchen als sie erwirtschaften, wobei die sozialen
Folgekosten jedoch nicht in der Gesamtbilanz auftauchen. Viele Beratungsstellen,
Frauenhäuser, Kulturprojekte und Jugendzentren mußten aus diesem
Grund schon schließen - weitere sind in ihrer Existenz bedroht. Ein
weiterer Gipfel des Umstrukturierungseisberges ist dabei die steigende
Obdachlosigkeit. Allein in Berlin werden von freien Wohlfahrtsträgern
Zahlen bis zu 50.000 genannt. Bundesweit gibt es über eine Million
Obdachlose. Die kommunalbehördliche Antwort lautet dabei: Das Problem
wird nicht gelöst, sondern verlagert. Damit der Vogel Strauß
namens Stadtverwaltung seinen Kopf in gepflegten Sand stecken kann, werden
Obdachlose wie auch Junkies, Bettler und fliegende Händler aus der
aufpolierten Innenstadt verbannt. Dies geschieht mittels Bulleneinsätzen,
aber auch reine Aufenthaltsmöglichkeiten werden seltener. Warmluftschächte
gibt es immer weniger, Suppenküchen werden geschlossen, öffentliche
Sitzänke werden abgebaut oder durch solche ersetzt, welche das Daraufliegen
unmöglich machen, öffentliche Wege werden zu überwachten
Zonen und Bahnstationen verwandeln sich in Hochsicherheitsgebiete, aus
denen alle verschwinden müssen, welche nicht ins gepflegte Bild passen.
In diesen sozial- und sicherheitspolitischen Maßnahmen zeigt sich
die Tendenz zur Kriminalisierung von Armut. Der Berliner Innensenat richtete
dazu vor knapp drei Jahren vier sogenannte operative Gruppen der Bullerei
ein, welche für City-West, Alex-City-Ost, Potse und SO 36 zuständig
sind. Es gilt, die kommerziellen Zentren von - so wörtlich - "Beeinträchtigung"
sauber zu halten, wozu zählt: Bettler, Obdachlose, Prostituierte,
ausländische Spieler, Punks und Jugendgangs. Parallel dazu kontrolliert
der BGS mit ca. 500 Beamten in Berlin S- U- und Fernbahnhöfe, um diese
von Obdachlosen freizuhalten. Bundesweit ist der BGS auf Bahnhöfen
und Flughäfen bereits seit vier Jahren im Einsatz. Die Aufzählung
von Einsatzkräften für Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit, auch
privaten, ließe sich fortsetzten, da neben BGS und Bullerei auch
noch unzählige private Sicherheitsdienste beschäftigt sind. Diese
privaten Dienste befinden sich gerade in einer Boom-Phase, zu ihrem Einsatzgebiet
gehört neben alltäglicher Kontrolle auch - allerdings nicht legal
- das Räumen besetzter Häuser und das Verhaften abgelehnter AsylbewerberInnen.
Geschützt werden soll hier die Ober- und Mittelklasse und vor allem
deren Besitz. Die heftigen Konsequenzen dieser "Wohlstandsbannmeilen"
müssen diejenigen tragen, welche ohnehin schon benachteiligt sind.
Damit folgt die BRD der Tradition des wilhelminischen Kaiserreiches und
den Anforderungen des damals aufkommenden Besitzbürgertums: Die härtesten
Strafen folgten immer schon auf Wohlstandsdelikte. Das Ergebnis der Sicherheitspolitik
ist, daß durch Kontrolle öffentlicher und halböffentlicher
Raum zu privatem wird. Dieser Raubbau an öffentlichem Raum geht dabei
oft Hand in Hand mit Architektur und Stadtplanung. Die Innenstädte
werden mit shopping-malls, Passagen, Plazas und Galerien zu riesigen Konsumtempeln
verwandelt, deren Heiligkeit der Profit ist, welcher mittels polierter
Fassaden, vielen Spiegeln und ausgefeilter Halogenbeleuchtungstechnik präsentiert
wird. Dazwischen stehen repräsentative Bürogebäude mit Arbeitsplätzen
für die Dienstleistungsgesellschaft, Direktionszentralen großer
Konzerne und einige wenige Loft- Wohnungen mit Mieten, welche sich keine
normale Familie mehr leisten kann, in denen sich gestreßte Berufstätige
für lediglich wenige Stunden in der Nacht aufhalten.
Die Entwicklung der Innenstadt geht in Richtung Tummelplatz für profilneurotische
Bauherren, in Richtung eines gigantischen Kaufhaus, welches von Interessensgemeinschaften,
bestehend aus Konzernen, Verwaltungsbehörden und Verbänden des
Handels, der Gastronomie und des Handels gemänätscht wird.
Nach der Festung Europa werden nun auch die Innenstädte zu Festungen.
Zu Bollwerken gegen die Armut. Die Entwicklung geht dabei an den Bedürfnissen
der meisten Menschen vorbei. Die Innenstädte werden den StadtbewohnerInnen
genommen, die wenigen Wohnungs- und Kulturangebote können als Alibiveranstaltungen
gelten. In diesen Innenstädten gibt es keine Aneignungsmöglichkeiten
mehr, alle Flächen sind überplant und es gibt keine Freiräume
mehr. In diesen Innenstädten wird nicht mehr gelebt, sondern nur noch
verkauft. Dementsprechend eindimensional sehen mittlerweile schon weite
Teile der Stadtzentren aus, wo glas- und edelstahlglänzende Oberflächen
von Kameras überwacht werden und nachts kein Mensch mehr auf der Straße
ist, weil dort nicht mehr gewohnt wird. Wo eigentlich ein lebendiges, dichtes,
vielfältiges und kommunikatives Stadtzentrum sein sollte, stellt sich
eine sterile Businesswelt dar.
Lediglich einigen Anforderungen der Marktwirtschaft wird Rechnung getragen,
und wieder einmal haben einige wenige eine Masse verdient, während
die Masse der Menschen einiges an Lebensqualität in ihrer Stadt und
ihrem Alltag verloren hat.
Diese schöne neue Welt ist gerade im Entstehen begriffen. Es betrifft
also nicht nur Wagenplätze, sondern die jüngste Stadtentwicklung
wirkt sich auf den größten Teil der Bevölkerung negativ
aus, und es ist drei Minuten vor zwölf, dagegen einzugreifen. Es gilt
daher allgemein, nicht nur für den Erhalt der eigenen Nische zu kämpfen,
sondern auch über den Tellerrand hinauszuschauen und solidarisch zu
handeln.
Dem Wagenwohnen an sich kommt dabei besondere Bedeutung zu. Wir organisieren
uns auf unseren Plätzen selbst, entziehen uns dabei dem Wohnungsmarkt,
gebrauchen vielfach den Abfall der Wegwerfgesellschaft und gehen bewußt
mit Ressourcen wie z.B. Wasser um. Wir eignen uns brachliegende Flächen
an und nutzen sie sinnvoll. Wir wollen und wir lassen uns nicht verwerten.
Außerdem wollen wir in den Innenstädten bleiben. Wir sind durch
Arbeit- und Ausbildungsverhältnisse und durch unsere sozialen Bezüge
an die Innenstädte gebunden. Außerdem müssen unkommerzielle
Nutzungen auch in Innenstädten möglich sein. Die Qualität
von städtischem Lebensraum wird nicht hergestellt durch die monofunktionale
Handels- und Dienstleistungs- "Stadt- in-der-Stadt", sondern
durch vielfältige Nutzungsmischung. Der auf Wagenplätzen gelebte
Alltag ist dabei oft die Verbindung von Wohnen, Arbeiten, Kultur und sozialer
Versorgung.
Wagenplätze sind keine an den Stadtrand zu drängenden Slums,
sondern eine Bereicherung der städtischen Vielfalt, der urbanen Dichte
und schon alleine deshalb erhaltungswürdig. Dabei kosten sie kein
Geld und versiegeln keine Flächen. Oftmals gibt es Veranstaltungen
auf Wagenplätzen und wir üben auf Bereiche, die sonst Nachts
unbelebte Flächen wären, soziale Kontrolle aus.
Unabhängig davon gibt es uns einfach - wir werden immer mehr und wir
wollen endlich als eigenständige alternative Wohn- und Lebensform
anerkannt werden.
Die Stadt gehört nicht dem Kapital und nicht der Verwaltung. Die Stadt gehört den Menschen, die in ihr leben. Mit der Kraft unserer Träume gegen die blutleere Kälte.
Wir fordern:
Sensibilität, Menschlichkeit und Solidarität mit allen, die ohne Wohnung oder unter schlechten Wohnbedingungen leben müssen, insbesondere Obdachlose, AsylbewerberInnen und ausländische Menschen.
Gleichberechtigung, Akzeptanz und Förderung aller Wohnformen außerhalb der gängigen Eigentums- und Einzelmietvertragswohnungen. Dies gilt besonders für Sinti- und Romawagenplätze, besetzte Häuser und Wagenburgen.
eine Gesellschaftsordnung, welche nicht mehr kapitalistischen Verwertungsinteressen unterliegt und eine Verankerung von allgemeinem Recht auf Wohnen und sozialer Absicherung. Wohnraum darf keine Ware sein.
die Anerkennung und rechtliche Absicherung der Wagenplätze als alternative Wohn- und Lebensform allgemein, sozial, kulturell und politisch.
An die Medien
Berlin, den 10.4.1996
Vom 4.-10.4 fand in Berlin das bundesweite Wagentreffen statt. Den Abschluß
bildete eine gemeinsame Demonstration mit HausbesetzerInnen unter dem Motto:
"gegen fortschreitende Umstrukturierung - die Städte den Menschen,
die dort leben". An unserer Demonstration beteiligten sich ca. 400
Leute und 25 Fahrzeuge - teils bewohnte LKWs, teils Zugmaschinen aus dem
gesamten Bundesgebiet.
Die genehmigte Demonstration begann in der Köpenicker Straße
und endete am Rosa-Luxemburg- Platz. Durch übermäßige und
provokative Polizeipräsenz, deren "Notwendigkeit" mit Häuserräumungen
und den Vorfällen an der East-Side-Gallery begründet wurde, verzögerte
sich der Beginn der Demonstration um mehr als eine Stunde. Mehrere Fahrzeuge
sollten von der Teilnahme ausgeschlossen werden, da die Polizei deren Einrichtungsgegenstände
als "Bewaffnung" deklarierte, wie z. B. Werkzeug und Eßbesteck.
Mehrfach wurden Personen durchsucht.
Trotz aller Schikanen verlief unsere Demonstration friedlich und lebendig
und wurde durchweg positiv aufgenommen.
Eine Abschlußkundgebung beendete die Demonstration am Rosa-Luxemburg-Platz.
Als MedienvertreterInnen und viele DemonstrationsteilnehmerInnen bereits
gegangen waren und die Demonstration von den VeranstalterInnen aufgelöst
wurde, unterzog die Polizei sämtliche Fahrzeuge einer erneuten Kontrolle.
Diese bezog sich jetzt auf die Verkehrssicherheit der LKWs, Traktoren und
Anhänger. Akribisch wurden von der Polizei z.T. vermutete Sicherheitsmängel
aufgelistet, um die Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen zu können und
zu beschlagnahmen. Der zuständige Einsatzleiter war im Laufe der Kontrollen
trotz mehrfacher Nachfrage nicht mehr erreichbar. Erst nachdem die Beschlagnahme
unwiderruflich ausgesprochen wurde, fand sich der Einsatzleiter vor Ort
ein. Vier Fahrzeuge mit drei Anhängern wurden eingezogen und zwangsweise
abgeschleppt.
In diesem Falle wurden nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Wohnraum willkürlich
beschlagnahmt, wodurch die Obdachlosigkeit der BewohnerInnen billigend
in Kauf genommen wurde. Natürlich standen die Betroffenen und die
noch verbliebenen DemonstrationsteilnehmerInnen dem polizeilichen Vorgehen
nicht protestlos gegenüber. Unsere Verhandlungsversuche wurden von
der Polizei ignoriert und Protestreaktionen in Form von Menschenketten
und Sitzblockaden mit polizeilicher Gewalt beendet. Dabei wurden fünf
Personen wahllos festgenommen und mehrere verletzt.
Das aggressive und provokante Vorgehen sollte offensichtlich eine Eskalation
bewirken, um eine Verschlechterung des politischen Klimas zuungunsten von
Wagenplätzen und besetzten Häusern in Berlin voranzutreiben.
Wir sehen diese geplante Polizeiaktion nicht nur als Produkt allgemeiner
Verachtung unserer Lebensform, sondern auch im Zusammenhang mit dem Kalkül,
Wagenplätze aus dem Innenstadtbereich zu verdrängen und selbst
entgegen der "Berliner Linie" besetzte Häuser zu räumen.
Wir verurteilen die Kriminalisierung unserer Lebensweise.
Wir fordern die sofortige Einstellung aller Strafverfahren sowie die unverzügliche Herausgabe der Zugmaschinen, Wohnfahrzeuge und -anhänger.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Wagenburg am Kinderbauernhof Mauerplatz Bethaniendamm 59 10999 Berlin
Vom 4.-10.4 fand in Berlin das bundesweite Wagentreffen statt. Den Abschluß
bildete eine gemeinsame Demonstration mit HausbesetzerInnen unter dem Motto:
"gegen fortschreitende Umstrukturierung - die Städte den Menschen,
die dort leben". An unserer Demonstration beteiligten sich ca. 400
Leute und 25 Fahrzeuge - teils bewohnte Lkws, teils Zugmaschinen aus dem
gesamten Bundesgebiet.
Die genehmigte Demonstration begann in der Köpenicker Straße
und endete am Rosa-Luxemburg- Platz. Durch übermäßige und
provokative Polizeipräsenz, deren "Notwendigkeit" mit Häuserräumungen
und den Vorfällen an der East-Side-Gallery begründet wurde, verzögerte
sich der Beginn der Demonstration um mehr als eine Stunde. Mehrere bewohnte
Fahrzeuge sollten von der Teilnahme ausgeschlossen werden, da die Polizei
deren Einrichtungsgegenstände als "Bewaffnung" deklarierte:
Die für uns unentbehrliche Axt zum Holzhacken und unsere Eßbestecke
wurden in der Presse zu "Waffen" hochstilisiert. Mehrfach wurden
Personen durchsucht; drei Personen wurden durch vorübergehende Festnahme
an der Teilnahme gehindert.
Trotz aller Schikanen verlief unsere Demonstration friedlich und lebendig
und wurde durchweg positiv aufgenommen.
Eine Abschlußkundgebung beendete die Demonstration am Rosa-Luxemburg-Platz.
Als MedienvertreterInnen und viele DemonstrationsteilnehmerInnen bereits
gegangen waren und die Demonstration von den VeranstalterInnen aufgelöst
wurde, unterzog die Polizei ausgewählte Fahrzeuge einer erneuten Kontrolle.
Diese bezog sich jetzt auf die Verkehrssicherheit der Lkws, Traktoren und
Anhänger. Akribisch wurden von der Polizei z.T. vermutete Sicherheitsmängel
aufgelistet, um die Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und zu beschlagnahmen
zu können.
Diese Maßnahmen sehen wir als Schikane und Einschüchterung
an:
Einerseits kontrollierte die Polizei nicht alle Fahrzeuge, sondern nur
die ersten vier in der Kolonne, was bedeutet, daß es ihnen nicht
wirklich um Verkehrssicherheit ging. Andererseits wurden alle Zugmaschinen
konfisziert, eine sogar ohne jede technische Untersuchung. Dies kann im
Zusammenhang mit den von Innensenator Schönbohm angekündigten
Räumungen von Wagenplätzen ohne Schaffung von Ersatzgelände
stehen; auf jeden Fall wird es uns so unmöglich gemacht, unsere Wohnungen
vor Räumungen zu retten. Es wurden drei Zugmaschinen mit Wohnanhängern
und ein bewohnter LKW beschlagnahmt und abgeschleppt. Die Volksbühne
bot der Polizei an, die beschlagnahmten Fahrzeuge auf ihrem direkt angrenzenden
Privatgelände abzustellen. Die Polizei lehnte ab. Innerhalb einer
Stunde wurden eine Familie mit Kind und drei weitere Menschen obdachlos
gemacht.
Der zuständige Einsatzleiter war im Laufe der Kontrollen trotz mehrfacher
Nachfrage nicht mehr erreichbar. Erst nachdem die Beschlagnahmen unwiderruflich
ausgesprochen wurden, fand sich der Einsatzleiter vor Ort ein.
Natürlich standen die Betroffenen und die noch verbliebenen DemonstrationsteilnehmerInnen
dem polizeilichen Vorgehen zwar hilflos, aber nicht ohne Protest gegenüber.
Unsere Verhandlungsversuche wurden trotz Anwesenheit einer Anwältin
von der Polizei ignoriert und Protestreaktionen in Form von Menschenketten
und Sitzblockaden mit polizeilicher Gewalt beendet. Dabei wurden fünf
Personen wahllos festgenommen und mehrere verletzt.
Das aggressive und provokante Vorgehen sollte offensichtlich eine Eskalation
bewirken, um eine Verschlechterung des politischen Klimas gegen Wagenplätze
und besetzte Häuser in Berlin voranzutreiben. Wir sehen diese geplante
Polizeiaktion nicht nur als Produkt allgemeiner Verachtung unserer Lebensform,
sondern auch im Zusammenhang mit dem Kalkül, Wagenplätze aus
dem Innenstadtbereich zu verdrängen. Stumpf und mit Gewalt soll diese
Stadt von allen Menschen "gesäubert" werden, die nicht in
die schöne neue Hauptstadtwelt passen.
Die festgenommenen Personen sind wieder draußen. Unsere Fahrzeuge
haben wir zwei Tage später auch zurückbekommen, allerdings nach
wie vor stillgelegt. Was noch an Kosten auf uns zukommt, ist noch nicht
abzusehen; es wird jedoch eine ganze Menge werden.
Wir verurteilen die Kriminalisierung unserer Lebensweise.
Wir fordern die sofortige Einstellung aller Strafverfahren und die Rücknahme
der Kosten für Abschleppung, Sicherstellung, Gutachten und andere
überflüssige Schikanen.
Wir fordern, daß BesitzerInnen eines bewohnten, aber verkehrsunsicheren
Fahrzeugs in die Lage versetzt werden müssen, den Wohnraum weiter
zu bewohnen und das Fahrzeug auf einem selbstgewählten Gelände
wieder verkehrssicher zu machen.
Wegen der enormen uns entstandenen Kosten bitten wir um Unterstützung auf das Spendenkonto: Ina Deter, Postbank Berlin, BLZ 100 100 10, Kontonr. 753366-101, Stichwort: "Rosa Luxemburg"
Hier
geht es zurück zum Inhaltsverzeichnis der Studie "Wagenleben
- das Leben wagen!?"