3.5.1. Berlin:
Berlin kann man, ohne übertreiben zu wollen, als die Hauptstadt der
Wagendörfler bezeichnen, wenigstens, was deren Anzahl betrifft.
Die bis zum Fall der Mauer weltweit einmalige "Frontstadtsituation"
mit der die Stadt umgebenen Mauer begünstigte schon Anfang der achtziger
Jahre den Versuch, den steigenden Mietpreisen und der Vereinzelung in den
Wohnghettos entfliehen zu können - ohne die Stadt als solche verlassen
zu müssen -, indem Menschen anfingen, sich Bau-, Zirkuswagen oder
ausgediente LKWs und Busse auszubauen und es sich im Niemandsland längs
des "Antifaschistischen Schutzwalles" gutgehen ließen.
Da eine ausführliche Beschreibung aller Berliner Wagendörfer
den Rahmen sprengen würde, haben wir uns auf eine etwas eingehendere
Beschreibung des Rollheimer Dorfes am Potsdamer Platz und dessen Bewohnern
beschränkt, wenngleich die Geschichte dieses ersten Berliner "Dorfes"
nur bedingt als "exemplarisch" für alle anderen gelten kann,
da bei diesen, wie wir sehen werden, weniger der Zauber alternativer Lebensweise
ausschlaggebend für diese Wahl der Wohnform war, sondern vor allem
eine mangelnde Wohn- und Lebenssperspektive der meist Jungerwachsenen (1).
Ansonsten reißen wir die Problematik der übrigen Wagenburgen
nur insoweit an, als daß wir versuchen, eine "Chronologie der
Ereignisse" (2) aufzuzeigen, welche einen Überblick über
die geradezu explosionsartig gewachsene Anzahl von Wagendorf-Neugründungungen
und deren Probleme im Spannungsfeld zwischen den sie umgebenden Nachbarn
und der Berliner Senatsverwaltung, geben soll.
1996 gab es etwa 13 Wagendörfer mit einer (vage) geschätzten
Anzahl von 700 - 800 Menschen.3
Dies sind:
01. Rollheimer Dorf an der Köthener Str. (Tiergarten), umgesiedelt
im September 1995 nach Neukölln, Oderbergstraße
02. Wagendorf am Engelbecken (Mitte), geräumt am 09.10.1993
03. Wagendorf am Kinderbauernhof (Kreuzberg), Räumung ist geplant
04. Wagendorf am Bethaniendamm (Kreuzberg), geräumt am 26.03.1997
05. Wagendorf an der Schillingbrücke an der Holzmarktstraße
(Mitte/Friedrichshain), Bleibemöglichkeit ungewiss
06. Wagendorf an der "East-Side-Gallery" (Friedrichshain),
ca. 250 Bewohner, geräumt am 17.07. 1996,
07. Wagendorf an der Lohmühlenstr. (Treptow), befristete Aufenthaltsgenehmigung
08. Wagendorf an der Wuhlheide (Köpenick), ca. 100 - 150 Menschen),
legalisiert
09. Wagendorf Pankgräfin in der Pankgrafenstraße (Pankow),
ca. 100 - 150 Menschen), legalisiert
10. Wagenburg "Schwarzer Kanal", an der Schillingbrücke
(Mitte), Bleibemöglichkeit ungewiss
11. Wagendorf am Spreebogen (Mitte), geräumt im Febr. 1996,
(3 Wagen)
12. Wagendorf "Kreuzdorf" am Bethaniendamm (Kreuzberg),
befristete Aufenthaltsgenehmigung
13. Wagendorf bei den besetzten Häusern in der Marchstr./ Einsteinufer,
geräumt 1996
Im Sommer 1989 besuchten wir im Rahmen unserer Informations- und Recherchereise
verschiedene dieser Berliner Wagendörfer - oder -burgen (4)
, wie sie auch benannt werden -, um uns so direkt vor Ort einen Eindruck
über die uns bislang noch unbekannte (groß-) städtische
Wagendorf-Situation verschaffen zu können.
Bei einem dieser Informationsbesuche bei den Rollheimern v. Potzdamer Platz
treffen wir auf C. und seine Frau S. Wir werden sofort herzlich aufgenommen,
Tee wird aufgetischt und sie erzählen uns in lockerer Runde vom Platz
und dessen Geschichte.
Sie bewohnen, zusammen mit 2 Hunden und Katzen und Hühnern etc., ein
idyllisches Fleckchen inmitten des Potsdamer Wagendorfes. Ihre 5 (!) Wagen
umgrenzen ein mittlerweise ergrüntes Karree. Nach außen sind
sie regelrecht abgeschottet und ihr "Palast" - quasi eine Burg
in der Burg - ist von außen nicht einzusehen. Ein Gartenteich ist
angelegt, Gartenzwerge schauen listig durchs Gestrüpp. Laupenpiperatmosphäre.
C. erzählt, wie er zum Wagenleben gekommen ist:
Nach Beendigung der Schauspielschule bekommt er ein Engagement in Westdeutschland.
Aus einer Schnappslaune heraus erwirbt er einen Zirkuswagen von einem Oldenburger
Schausteller und wohnt nach einigen Umbaumaßmahmen im Garten eines
alten Grafen. Anfang der Achtziger wechselt er dann aus beruflichen Gründen
nach Berlin, wohin er seinen Zirkuswagen mitnimmt. Völlig unbedarft
überführt er den Wagen über die Autobahn. Der Wagen hat
keine Papiere, technisch ist er nicht in Ordnung, u.a. fehlt eine Druckluftpumpe
etc...
In Berlin angekommen wohnt er mit seinem Wagen mitten auf dem Potsdamer
Platz in direkter Nachbarschaft zum Tempodrom-Zelt-Theater. Ein Dorf existiert
zu dem Zeitpunkt noch nicht. Als das Theater den Platz verlassen mußt,
weil dort die künftige Magnetschwebebahn geplant ist, wechselt er
in Richtung Köthener Straße.
Nach und nach kommen andere "Wägler" dazu. Wie z.B. E.,
der wegen eines Motorschadens an seinem zur Wohnung umgebautem Möbelwagen
vorläufig Station macht und dann hängenbleibt oder W., Besitzer
eines betagten Wohn-Eies aus den 50er Jahren, - aber nebenher auch Besitzer
einer Zweitwohnung für "Notfallzeiten" (5) oder einfach
auch Menschen, die, im Winter durch den sonnigen Süden Europas herumvagabundierend,
dann im Sommer wieder in die Großstadt zurückkehren und einen
kostenlosen Stellplatz für ihre teilweise abenteuerlichen Wohngefährte
suchen.
Mit Duldung der Besitzer, der "Grundstücksgesellschaft am Potsdamer
Platz", die mit ihrem" Sahnestück" zu der Zeit noch
nichts anfangen konnte, gelingt es den Dorfgründern, im August 1981
einen Vertrag auszuhandeln, der ihnen - bis zu einer entgültigen Nutzung
- ein Wohnrecht einräumt.
Die Berliner Stadtwerke öffnen einen Hydranten und versorgen die "Siedler"
so mit Wasser. Es werden bereitwillig Telephonleitungen gelegt und sanitäre
Anlagen nebst einer funktionierenden Abwasser- und Müllbeseitigung
geschaffen. Zu den Anfangs eher einsamen Wagenbewohnern gesellen sich schon
bald andere Gleichgesinnte und so dauert es nicht lange, bis die Gruppe
auf über 50 Personen anwächst und einen "richtigen"
Dorfcharakter bekommt. Diese Mischung aus Berliner Laubenpiepertum und
Zirkus- bzw. Zigeunerromantik wird schnell zu einer Touristenattraktion
und als das "Rollheimer-Dorf" am Potsdamer Platz weit über
die Grenzen Berlins bekannt. (6) Und sogar die Politiker und Berlin-Größen
Momper, Diepken & Co geben sich die (immaginäre) Klinke in die
Hand, um sich vor der Ökoidylle mit Hühnern und Rosmarin ablichten
zu lassen.
Aber ab Mitte 1988 verändert sich die Situation dramatisch. Infolge
eines Gebietsaustausches mit der damals - noch "real" existierenden
- DDR einerseits und die Einbeziehung des geschichtsträchtigen Arreals
rund um den Potsdamer Platz in das Gesamtkonzept der stattfindenen Internationalen
Bau Austellung (IBA) in Berlin andererseits, witterten die Kapitalisten
der Grundstücksgesellschaft finanziellen "Morgenduft" -
immerhin geht es um ca. 50 Mill.DM- und kündigen den Nutzungsvertrag
mit den "Rollheimern" zum 30.11.1988. (7) Nach dem ersten
Schock beginnen die Dörfler, - da sie sich ja verpflichtet haben,
ohne Murren im Falle einer Kündigung das Gelände zu verlassen
-, sich an die verschiedenen Berliner Bezirksämter zu wenden, und
ein adäquates Ersatzgelände zu fordern.
Allerdings wird allerorten bedauernd abgewunken und auf die verschiedensten
Hinderungsgründe- einen neuen Platz betreffend, hingewiesen.
Mit Hilfe von verschiedenen Reportern von Film, Funk und schreibender Zunft
beginnt daraufhin ein Medienrummel ohnegleichen. (8)
Aber trotz der (überraschenderweise!) äußerst positiven
Resonanz in der Berichterstattung und des gutbesuchten "Tages der
offenen Tür" mit Informationen über die Problematik und
Unterhaltung mit Speis und Trank und Streichelzoo für die "Kleinen"
läßt sich nichts bewegen innerhalb der Stadtbürokratie.
Auch die Grundstückseigner lassen sich nur insoweit erweichen, daß
sie die Kündigung bis zum nächsten Frühjahr aussetzen und
so den "Rollheimern" eine kurze Verschnaufpause ermöglichen.
Aber der Räumungstermin verstreicht und die Räder stehen immer
noch unbewegt. Trotz vielfacher Streitereien und Räumungsandrohungen
kann sich das, mittlerweise nicht mehr einzige, so aber in jedem Falle
das "prominenteste" Wagendorf der zukünftigen Hauptstadt
auf dem angestammten Platz behaupten. Die innere Sozialstruktur der Gemeinschaft
allerdings ändert sich im Laufe der Zeit.
Es bildet sich eine Ober- und eine Unterstadt heraus. Auf der einen Seite
wohnen die "alten Gründer", Naturliebhaber und Schrebergärtner.
Sie igeln sich gegen die nähere und entferntere Umwelt ab und halten
eher auf Distanz. Auf der anderen hausen die Zugezogenen, die "Jungen".
Jene, die auf ihrer Suche nach billigem Wohnraum im Rollheimer Dorf nur
kurz Station machen und denen das "Dorfimage" egal ist. Die Lkw
und Autowracks am Rande des Dorfes nehmen zu und der äußere
Eindruck verändert sich stark ins Negative. Schwelende Konflikte brechen
auf. Zu unterschiedlich sind die Leute. Machtkämpfe entstehen. Eine
einheitliche Haltung ist nicht zu erkennen. Konflikte werden erst dann
mit allen Bewohnern auf einem Plenum besprochen, wenn diese existenziell
werden, z.B. bei drohender Räumung etc. Dann treten (wenigstens kurzzeitig)
persönliche Probleme zurück.
Erste Auflösungserscheinungen zeigen sich. Einige lösen sich
schon frühzeitig ganz aus dem Gemeinschaftsgefüge und versuchen,
alleine einen individuellen Platz zu finden, wie z.B. C. und S., die mit
ihren Wagen und Hühnern, Hunden und Katzen im ostdeutschen Umland
Quartier finden.
Aber trotz aller Räumungsverfügungen und -androhungen kann sich
das Potsdamer Wagendomizil noch bis zum September 1995 halten und erst
als der endgültige Baubeginn eines geplanten Bürokomplexes fest
steht, löst sich das gesamte Dorf auf. Einige der Bewohner ziehen
auf inzwischen legalisierte Plätze, z.B. nach Karow (Pankow) oder
auf die "Wuhlheide", die anderen - 21 Erwachsene und 9 Kinder
- siedeln auf das ehemalige Friedhofsgelände einer Neukölner
Kirchengemeinde um. (9) Für das 4800 qm große Grundstück
zahlen sie insgesamt 1000,--DM. Acht der Wagen haben Telephonanschluß
und die Elektrizitätswerke haben eine Stromleitung gelegt. Dort dürfen
sie bis auf weiteres wohnen bleiben, wenn auch die längerfristigen
Aussichten, - angeblich soll dort ein Spielplatz erichtet werden -, nicht
allzu rosig erscheinen.
Ende der achtziger Jahre enstehen im Umfeld des Rollheimer Dorfes weitere
Wagendörfer, (10) wenn auch mit einer zum Teil anderen Sozialstruktur.
Miet- oder Pachtverträge gibt es nicht, und werden teilweise auch
gar nicht angestrebt.
Die politisch unsichere Situation in der Endphase der DDR-Ära begünstigt
"Wagenburggründungen" im Schutze der Mauer.(11) Die
BRD-Polizei fühlt sich nicht zuständig, die (noch) DDR-Vopos
nicht mehr. Hier ist quasi ein rechtsfreier Raum. Auch gerade für
politisch motivierte autonome Gruppen, die so der Öffentlichkeit einen
Spiegel vorhalten und gerade im Hinblick auf die "Notschlachtung der
DDR" ein Zeichen setzen wollen. Außerdem wollen sie zeigen,
daß man weitgehend unabhängig von Geld ein menschenwürdiges,
kollektives, herrschaftsfreies Leben gestalten könne (12)
Aber auch die anderen sog. städtischen Problemgruppen haben inzwischen
die Vorteile einer Wagenburg für sich entdeckt. Immer mehr Menschen
mit Alkohol- und (Hart)drogenproblemen, aber auch Obdachlose, die so eine
Möglichkeit sehen, das drohende "Platte machen" abzuwenden,
siedeln sich auf den Plätzen an. Die jeweilige Gruppengröße
variiert von wenigen bis zu 50 oder mehr Bewohnern in ebensovielen Wagen
(Engelbecken).
Das Bild verändert sich stark ins Negative und teilweise ähneln
manche diese Plätze eher bewohnten Müllhalden: Autowracks, ausgebrannter
Haus- und Sperrmüll Dazwischen heruntergekommene Wohn- und Bauwagen,
verziert mit politischen Parolen, Anarcho-und Piratenfahnen auf dem Dach
und Warnschildern gegen die allgegenwärtigen Touristen, die immer
wieder die Ruhe stören. Helfen Drohungen nicht weiter, fliegen auch
schon einmal Steine gegen allzu Neugierige. Das allgemeine Klima verschärft
sich zunehmend. Es bilden sich Bürgerinitiativen und besonders die
Boulevard-Presse macht Front gegen die "Kreuzberger Beduinen in den
Wagenburgen".
Im Frühjahr 1990, nach vielerlei Beschwerden und Anzeigen seitens
der Anwohner und Nachbarn, wird die Wagenburg an der Wilhelmstr. geräumt,
die Besetzer gezwungen, auf andere Plätze auszuweichen. Auch andere
in die Schußlinie der von der CDU angeführten Hardlinerregierung
geratenen Wagenburgen werden geräumt, bilden sich aber in der Nachbarschaft
neu, werden wiederum geräumt etc. Am 9.10.93 ist es einmal wieder
so weit: Die "gefürchtete" Wagenburg am Engelbecken wird
von 900 (!) Polizisten gestürmt und die Wagenburg aufgelöst.
Teilweise werden Wagen beschlagnahmt und auf ein städtisches Gelände
am östlichen Stadtrand gezogen, nicht zuzuordnende, anscheinend besitzerlose
Wagen finden in der Städtischen Schrottpresse ihre letzte Ruhe. Die,
die freiwillig gehen, dürfen ohne Auflage Ihr Hab und Gut packen und
finden Asyl auf benachbarten Plätzen. Die Aktion geht weitesgehend
ohne Widerstand seitens der Bewohner über die Bühne. Nur zwei
"Aufrechte", Angehörige eines Franziskanerordens, leisten
passiven Widerstand, ketten sich an ein 4 m hohes Holzkreuz an und fordern
den Abbruch der Räumung. Im Laufe des Tages vergrößert
sich die Gruppe um 3 weitere Personen. Aber selbst der katholische Kardinal
Sterzinsky, der herbeieilt und seine Solidarität (!) bekundet und
bei den Behörden interveniert, kann die Staatsmacht nicht aufhalten.
Mit Bolzenschneidern werden die Aktionisten von ihrem Kreuz geschnitten.
(13)
Viele dieser Vertriebenen finden sich schließlich in der 1990 entstandenen
sog. "East-Side-Gallery" Wagenburg wieder, einem 50 m breiten
und knapp 1000m langen Areal mit Spreeblick nach Süden und Schnellstraße
im Norden. Schnell wächst auch dieser Platz auf zeitweise mehr als
250 Menschen an.
Zwischen 200 ausrangierten Bussen und Lastwagen, alten Bauwagen und den
Ruinen zweier NVA-Schützenpanzer türmen sich Berge von Unrat.
Der Boden ist übersät mit den rostigen Überresten ausgeweideter
Autowracks, daneben zerstückeltes Mobiliar.(14)
Viele der neuen Bewohner haben massive persönliche Probleme und
werden in den "anderen" Wagendörfern nicht mehr geduldet.
So baut sich ein im Laufe der Zeit spannungsgeladenes und explosives Sozialgemisch
auf, daß immer wieder die Ordnungshüter auf den Plan ruft. Razzien
werden durchgeführt, Drogen und Waffen beschlagnahmt, Festnahmen ausgesprochen,
patroulliert.
Eine Lösung in Form einer Räumung ist vorerst nicht in Sicht.
Neue Wagendörfer sollen laut Regierungswillen nicht toleriert werden,
andererseits soll erst dann geräumt werden, wenn ein Alternativplatz
ausgewiesen werden kann. Ein Dilemma. Zudem sperren sich alle Berliner
Stadtteilbezirke, einen möglichen Alternativstandort auch nur theoretisch
in Betracht zu ziehen.
Niemand will dieses Problem vor seiner Tür wissen. Anfang April 1996
schreckt die Öffentlichkeit wieder einmal auf: Im Umfeld der "East-Side-Gallery"
wurde ein Mord verübt. Auch wenn der Tote nicht in direkten Zusammenhang
mit den Wagendorfbewohnern zu bringen ist (er ist Opfer einer Auseinandersetzung
um Rauschgift geworden), werden nun aus allen Richtungen wieder vermehrt
Rufe nach einer Räumung laut. Die Medien tun ihr übriges und
als auch noch Gerüchte aufkommen, es sei auf dem Platz zu offenen
Tuberkulosefällen gekommen, ist es entschieden: Am 17. Juli 1996,
Schlag 8 Uhr, wird auf Antrag des Bundesvermögensamtes, dem Eigentümer
des Geländes, unter massivem Polizeieinsatz (an der Aktion sind insgesamt
ca. 260 Polizisten beteiligt) die Wagenburg gestürmt. Die Bewohner
(zu dem Zeitpunkt halten sich etwa 100 Menschen dort auf) werden erkennungsdienstlich
behandelt und zwangsweise in einem eigens dafür mitgebrachten medizinischem
Laborbus auf Tbc untersucht. Die Wagen und Hab und Gut der Bewohner werden
beschlagnahmt, der Platz versiegelt. Insgesamt kostet die Räumung
inklusive Sanierung mehr als 3,5 Millionen DM, der neue Standort in West-Staaken
für etwaige Versprengte der East-Side soll mit 200000 DM zu Buche
schlagen. In West-Staaken allerdings bildet sich, - gleich nach der Ankündigung,
sie würden neue Nachbarn bekommen -, eine Bürgerinitiative und
so scheint das alte Spiel auch in Zukunft munter weiterzugehen.
Aber auch die anderen noch bestehenden Wagenburgen werden sich auf eine
ungewisse Zukunft vorbereiten müssen: Die Wagenburgen "Schillingbrücke"
und "Schwarzer Kanal" sollen innerhalb der nächsten 2 Jahre
einer Promenade weichen, die Wagen neben dem sog. Kinderbauernhof einer
Schule nebst Kindertagestätte Platz machen, das Wagendorf an der Späthbrücke
wird einer Autobahn weichen müssen und auch den Wäglern vom "Kreuzdorf"
und "Lohmühle" wird von offizieller Seite nur eine Gnadenfrist
von 2 Jahren eingeräumt. Daran konnten auch die Anfang April '96 in
Berlin stattgefundenen "Wagentage" nichts ändern. Von der
negativen Presse über die bevorstehende Räumung der "East-
Side" angeheizt, wurden die Teilnehmer des aus diesem Anlaß
stattfindenen Demonstrationszuges, - ca. 300 Aktivisten aus anderen Wagenburgen
der BRD, Dänemark und Niederlande waren angereist, um sich mit den
Berliner Leidensgenossen zu solidarisieren -, von einem riesigen Polizeiaufgebot
(ein Beamter auf jeden Demonstranten) begleitet. Die Wagen, die durch die
Stadt gezogen wurden, wurden von der Polizei penibel inspiziert, jeder
auch nur entfernt an eine Waffe erinnernden Gegenstand - selbst Kochlöffel
und Eßbestecke - beschlagnahmt. Dabei wurden 4 Behausungen wegen
angeblicher Sicherheitsmängel aus dem Verkehr gezogen. Trotz dieser
Polizeiaktion blieben die Teilnehmer der Wagentage allerdings besonnen
und ließen sich nicht provozieren.(15)
Aber eines ist für die Zukunft sicher: Das Konzept der parteienübergreifenden
- sog. "Kreuzberger Linie", wonach bestehende Wagendörfer
Bestandschutz haben und neue Wagendörfer auf keinen Fall geduldet
und sofort geräumt werden sollen, steht weiterhin auf wackeligem Boden.
Denn die CDU betreibt laut Senatsbeschluß vom Juli 1996 die Räumung
aller Wagendörfer im Innenstadtbereich und will diese allenfalls in
den Stadtrandgebieten dulden. Dabei wird mit allerlei markigem Stammtisch-Gegröhle
nach altbewährter Taktik versucht, Stimmung gegen eine integrative
Politik zu machen.
"Ich bin nicht bereit, in dieser Stadt rechtsfreie Räume bzw.
vom Senat hingenommene rechtswidrige Zustände zu dulden. Das Vertrauen
der Bevölkerung in einen demokratischen, starken und handlungsfähigen
Staat darf nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß die Politik
es kleinen, radikalen und kriminellen Außenseitergruppen gestattet,
daß Bild und das innere Klima dieser Stadt zu bestimmen.... Ich glaube,
es wäre richtig, wenn die Wagenburgbewohner sich mit der Frage befassen
würden, wie sie ihr Leben in Zukunft gestalten. Entweder in Berlin
außerhalb der Wagenburg oder außerhalb Berlins in Wagenburgen."
(16)
Und auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus Landowsky, legt noch
nach und typisiert die Wagendörfler pauschal als "Kriminelle,
Asoziale und sonstige unnormale Menschen, die ihre Daseinseinberechtigung
höchstens auf isolierten Stadtgütern in der Mark Brandenburg
fristen dürften".(17)
Und weiter: "Es ist nun einmal so. daß dort, wo Müll
ist, Ratten sind und daß dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel
ist".(18)
So wird es wohl also bleiben, wie es ist: Die Wagendörfer sind aufgeteilt
und sozial sortiert in "gute und böse". Die einen bilden
mittlerweise halbwegs funktionierende Gemeinschaften mit stabilen sozialen
Strukuren, die anderen -die Outlaws- vagabundieren mit ihren Wagen weiterhin
durch die Stadt, campieren dort, wo es möglich ist (und sie gelassen
werden), immer von Räumung und Verleumdung bedroht, ohne je eine Chance
zu haben, die sie aber zum Teil aber auch gar nicht mehr wollen.
3.5.2. OLDENBURG 3.5.2.1. Der Initiativkreis "Wagendorf"
Die Geschichte der Oldenburger Wagendorfidee begann im wesentlichen
Ende der 80er Jahre.
Zu der Zeit gab es nur im Oldenburger Umland (Ostfriesland, Ammerland,
Wardenburg, Oldenburg-Land) einzelstehende, ländlich orientierte Wagenbewohner.
Auf Grund persönlicher Kontakte (19) entwickelte sich im Laufe
der Zeit eine kleine, ca. 15 - 20 Kopf starke Gruppe von Menschen, die
über die reine Wohnform hinaus überlegte, ein Wagendorfprojekt
in die Wege zu leiten. Dabei war allen gemeinsam, eine neue Form des Zusammenlebens
zu entwickeln, die die Autonomie des einzelnen erhalten und mit den Vorteilen
einer Solidaritäts-Gemeinschaft verbinden sollte. Eine Form, wie sie
sie in der sonstigen Gesellschaft nicht gefunden hatten und sie auch nicht
in der (zu der Zeit schon im Niedergang befundenen) alternativen Kommune-
und Land-WG-Bewegung wiederfinden konnten.
Zu der Zeit hatten alle "sichere" Stellplätze, so daß
in Ruhe geplant und überlegt werden konnte, wie und vor allem wo solch
ein "Dorf auf Rädern" verwirklicht werden könnte.
Im Laufe der folgenden Monate wurde als erster Schritt ein "Verein
für alternative Wohnkultur - Initiativkreis Wagendorf" (20)
gegründet und das Projekt-Vorhaben auf verschiedenen Veranstaltungen
innerhalb der sog. "Oldenburger Szene" vorgestellt, wobei das
Vorhaben immer wieder auf ein reges Interesse stieß. (21)
Im weiteren wurde ein Arbeits- und Diskussionspapier (22) entwickelt,
welches in folge eine theoretische Grundlage für weitergehende Kontakte
und Gespräche mit Vertretern von Parteien (insbesondere die der "GRÜNEN"
als vermittelnde Lobby) und Repräsentanten der Oldenburger Universität
als potentiellem Landgeber darstellte.
Als die für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlichen Basisfaktoren
wurden u.a. genannt:
1. Bereitstellung eines geeigneten Geländes auf universitärem
Boden,
2. die Lage und Bodenbeschaffenheit,
3. die Größe des Geländes, davon abhängig die
Maximalanzahl der Wa- gen (ausgehend von 20 - 30 Wagen für dementsprechend
viele Bewohner),
4. die politische Durchsetzbarkeit (evt. über eine Gesetzesinitiative
zwecks Legalisierung durch die Partei der GRÜNEN im nieders. Land
tag oder zumindest auf der Ebene einer langfristigen Duldung durch städtische
Administrationen),
5. Bereitstellung der nötigen Infrastruktur (Strom- und Wasseranschluß
etc.) durch die Universität und Studentenwerk,
6. unterstützende Maßnahmen durch Lehrende und Studentenschaft,
ge- rade auch in Hinblick auf einen möglichen von der Universität
interdis- ziplinär begleitenden und zukunftsweisenden Modellcharakter.
Desweiteren war ein detaillierter Plan in das Projektpapier eingearbeitet,
der allen Beteiligten die für die Umsetzung notwendigen Handlungsstränge
aufzeigte.
Mit diesem Theoriepapier ausgerüstet wurde dann im weiteren mit Vertretern
der oben benannten Organisationen diskutiert, sondiert und wieder diskutiert.
Allerdings war der Druck seitens der Initiativgruppe viel zu gering, als
daß die schwerfälligen, bürokratischen Strukturen hätten
aufgebrochen werden können und wenn auch das Vorhaben im großen
und ganzen auf eine positive, aber auch unverbindliche Resonanz stieß,
ergab sich doch keine praktische Umsetzung der Wagendorfidee.
Hinzu kam, daß einige der Initiativler, z.T. aus Frust über
die allgemeine Schwerfälligkeit der Verhandlungen oder aber, weil
sie ganz einfach wegzogen, die Gruppe verließen. Und das "Projekt
Wagendorf" versandete still und leise.
Als spätes Resümee läßt sich vielleicht festhalten,
daß die Gruppenmitglieder, - wären sie zu der Zeit gezwungen
gewesen, ihren jeweiligen Stellplatz zu verlassen und demzufolge ohne eine
wohnungsbedingte Existenzsicherung gewesen -, sehr wohl den nötigen
Drück hätten ausüben können, der notwendig gewesen
wäre, das Projekt durchzusetzen. So blieb es der "nächsten
Generation" vorbehalten, einen Wagenplatz zu erstreiten; wenngleich
die Beweggründe und Motive auch nicht ohne weiteres zu vergleichen
sind. (23)
3.5.2.2. Das Bauwagendorf "Blöder Butterpilz":
3.5.2.2.1. Eine Chronologie der Ereignisse
Ende April 1992 bauen sich 5 junge Leute Bauwagen aus und besetzen
am 4. September 1992 eine Brachhalde hinter dem Oldenburger Stadthallenkomplex,
der sog. "Weser-Ems-Halle". Die "Wagenmutigen", wie
sie sich anfangs selbst betiteln, haben den Anspruch, "im heutigen
Zeitalter des Konsums und der Wegwerfmentalität ökologischer
leben und zu versuchen, das Leben auf das Wesentliche zu reduzieren".
(Flugblatt) Ein weiterer Anspruch der Gruppe ist das gemeinsame Leben miteinander
denn:
"Es ist unmöglich, einen menschenwürdigen,geschweige
denn bezahlbaren Lebensraum für mehrere Menschen zusammen zu finden.
Dies ist unser Weg zu einem Lebensraum ohne Beton, kahle Flure und abgeschlossene
Türen, hinter denen die Anonymität wohnt".(24)
Obwohl diese Wohn- und Lebensform ja schon in anderen Städten
mehr oder weniger toleriert wird, stoßen die Wagenleute auf starke
Ablehnung innerhalb der Stadtverwaltung.
Noch im gleichen Monat (21.09.) müssen sie den Platz räumen und
ziehen (nach einem kurzfristigen Asyl beim Studentenwohnheim in der Otto-Suhr-Str.)
am 10. Oktober '92 auf ein der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft
(GSG) gehörende Brachlandgelände an der Cloppenburger Straße.
Der Oberbürgermeister von Oldenburg und Geschäftsführer
der GSG, Holzapfel, bietet den Wäglern einen Nutzungsvertrag für
das Gelände an. Da dieses Grundstück jedoch in einem sog. Landschaftsschutzgebiet
liegt, wird der Vertrag zum 15. Januar 1993 gekündigt und ein Ausweichplatz
außerhalb der Stadt in Aussicht gestellt. Da dieser von den Wäglern
jedoch als in jeder Hinsicht völlig ungeeignet angesehen wird, besetzen
sie kurzerhand am 11. Febr. '93 ein städtisches Brachland im Stadtnorden
und richten sich dort provisorisch ein. Die Größe der Gruppe
steigt dabei auf 11 Menschen an (6 Frauen und 5 Männer, alle Anfang
bis Mitte 20 Jahre jung), die in 13 Wagen leben.
Die Gruppe nennt sich nunmehr "Wagenplatz Blöder Butterpilz".
Aber auch dort wird ihnen auf Grund von Anwohnerbeschwerden und erneuten
Räumungsklagen seitens der Stadt wegen Verletzung des Eigentumrechts
und Verstoß gegen diverse Bauordnungsvorschriften das Leben schwer
gemacht. Trotz diverser Öffentlichkeitsaktionen und Selbstdarstellungen
seitens der "Butterpilze" kommt es zur Räumungsklage nebst
einer Reihe von gegen die einzelnen Wagenbewohner gerichteten Räumungsprozessen.
Einer angedrohten Zwangsräumung kommen die Wagenbewohner allerdings
zuvor, indem sie "freiwillig" am 08. Oktober den Platz verlassen
und sich (nach einer Demonstration mit allen Fahrzeugen und der gesamten
Habe quer durch die Stadt) auf einem Parkplatz der Carl-von-Ossietzky-Universität
niederlassen. Aber auch die Uni-Leitung verlangt einen sofortigen Abzug
des Bauwagenkonvoys, - trotz Intervention von Professoren, Lehrenden der
UNI, des Studentenwerkes und (leider nur verhaltener) Solidarisierung seitens
der Studentenschaft -, der die "Butterpilze" allerdings nur insoweit
nachkommen, in dem sie zwar den Parkplatz, nicht aber das Uni- Gelände
verlassen.
Nach weiteren Verhandlungen mit der Stadt, der Uni und dem Studentenwerk
als Mittler wird eine allgemeine Duldung bis zu einer möglichen endgültigen
Lösung erreicht. So darf die Bauwagengruppe erst einmal bis zum April
1994 auf einem Parkplatz auf dem Gelände der naturwissenschaftlichen
Fakultät in Wechloy verbleiben. Dann aber widerruft der Uni-Präsident
unter Bezugnahme auf zwingende universitäre Belange ("der Parkraum
werde dringend benötigt") jede weitere Duldung und verfügt
zum 15. 04. 1994 eine ultimative Räumung, der sich (überrascherweise)
die Wagengruppe fügt, 2 Tage später unter allerlei Tamtam abzieht
und auf einem Privatgrundstück am westlichen Standrand Asyl findet.
Aber auch dort eskaliert die Situation schnell. Auf Grund von allgemeinen
baurechtlichen Gesetzen (25) wird schon am 26. April das Wagendorf
unter massiven Polizeieinsatz geräumt, wobei 30 Personen vorläufig
festgenommen, sieben Bauwagen und vier Trecker beschlagnahmt undbei einer
Spedition untergestellt.(26) Daraufhin errichten dieWägler
eine Mahnwache vor dem städtischen Rathaus, die allerdings noch am
selben Abend von der Polizei geräumt und die aufgestellten Zelte zerstört
werden. Trotzdem wird die Mahnwache fortgesetzt. Da die Wagen weiterhin
beschlagnahmt sind, kommen die Bewohner vorerst bei Freunden unter.
Im Mai 1994 gründen die Wagenleute mit Unterstützung von Pu Schröder,
einem ausgewiesenem Kenner der Alternativs- und Kommunebewegung und aktivem
Sympathisanten der Bauwägler und dem Oldenburger Universitäts-Professor
Nitsch einen "Verein zur Förderung selbstbestimmten Lebens e.V.,
der von nun ab die Wägler in der Öffentlichkeit vertreten und
auch die Verhandlungen mit der Stadt führen soll. In Folge bestimmt
der Verein eine Verhandlungsdelegation, in der Nitsch und Schröder
mit jeweils zwei wechselnden Vertretern der Wagenbewohner auf die Genehmigung
eines Platzes hinarbeiten.
Stärkster Widersacher und stete politische Bremse ist hierbei der
Oldenburger Oberstadtdirektor Wanscher, der, Hamburger-Hafenstraßen-Verhältnisse
fürchend, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht,
einen Wagenplatz zu verhindern.
Am 19. Juni '94 verschaffen sich die Wagenleute während einer Solidaritäts-Demonstration
Zugang zu dem (Klärwerks-)Gelände, auf dem die beschlagnahmten
Wagen stehen und beziehen kurzerhand ihre Wohnwagen. Unter erneutem Hinweis
auf die Gesetzeslage (Einbruch, Hausfriedens- und Siegelbruch) erstattet
die Stadt Anzeige und läßt am 1. Juli erneut räumen. Die
Wagen werden durchsucht und einige der Besetzer erkennungsdienstlich behandelt.
Mit den restlichen zu Verfügung stehenden Wagen wird ein kleiner Parkplatz
in der Nähe des Klärwerksgeländes besetzt, auf dem sie vorerst
von der Stadt toleriert werden
Ende September '94 ziehen die Wägler (nach erneuter Räumungsandrohung
und einem "kurzen Abstecher" bei der Bezirksregierung, wobei
sie Unterstützung durch Vertreter anderer bundesdeutschen Wagendörfer
bekommen und eine Resolution überreichen) auf den Parkplatz am Arbeitsamt
(Stau). Den Winter verbringen sie schließlich in mittlerweise neu
beschafften Wagen auf einem kleinen Parkplatz am Drielaker See am östlichen
Stadtrand Oldenburgs, weitestgehend von der übrigen Anwohnerschaft
toleriert und harrren der Dinge, die da noch kommen mögen.
Unterdessen scheint sich gleichwohl eine politische Lösung (in bezug
auf einen legalisierten Bauwagenplatz) innerhalb der Ratsversammlung abzuzeichnen
und die Ratsmehrheit von SPD und GRÜNE beschließen am 26.05.1994,
die Stadtverwaltung anzuweisen, einen geeigneten Platz zuzuweisen. Diese
wiederum (unter Federführung von Wandscher) verweist auf die allgemeine
Gesetzeslage - insbesondere führt sie erhebliche baurechtliche Bedenken
an - und verweigert dem Rat in dieser Sache die Zustimmung. Allerdings
gelingt es - wenn auch nach zähem und zermürbendem Verhandlungsmarathon
(und einer intensiven Vor- und Mitarbeit seitens der GRÜNEN und der
Oldenburger Linke (OLLI),die als Einzige der im Rat vertretenen Parteien
bereit waren, sich für die Wagenburgler einzusetzen), Wandscher mit
einem selten angewandten Verfahren auszuschalten:
Der Verwaltungsausschuß (VA) verfügt, daß nur noch die
einzelnen Dezernenten direkt vom VA Anweisungen erhalten und auszuführen
haben. Dadurch wird Wanscher übergangen. Zudem bestätigt die
Bezirksregierung Weser Ems die Auffassung des Rates bezüglich der
Beschlüsse vom 16.05.1994 und 31.10.1994 und verwirft einen daraufhin
erfolgten Widerspruch Wandschers.
Aus der Entscheidungverfügung: (27) Gemäß 65
Abs. 2, Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 130 Satz1 NGO kann die Kommunalaufsichtsbehörde
Beschlüsse einer Gemeinde beanstanden, wenn sie das Gesetz verletzen.
Ob die Kommunalaufsichtsbehörde einen als rechtswidrig erkannten Beschluß
beanstandet, liegt in ihrem Ermessen. Grenzen des Ermessens sind zum einen
das öffentliche Wohl und zum anderen das Gebot des 127 NGO, die Aufsicht
so zu handhaben, daß Entschlußkraft und Verantwortungsfreude
der Gemeinden nicht beinträchtigt werden. (...) Trotz der Rechtswidrigkeit
des Beschlusses vom 31.10.1994 sehe ich von einer Beanstandung ab. Dabei
gehe ich davon aus, daß entsprechend dem Ratsbeschluß vom 16.05.1994
in Anwendung des 50 NBauO die baurechtlich unverzichtbaren Anforderungen
des 1 Abs. 1 NBauO insbesondere die vorgeschriebene Ver- und Entsorgung
der Wagenburg-Bewohner auf dem Gelände am Stau sichergestellt werden
und die Nutzungsdauer zeitlich befristet wird. Die danach verbleibenden
baurechtlichen Verstöße halte ich nicht für so gravierend,
daß ein Einschreiten der Kommunalaufsicht geboten erscheint. Dabei
habe ich berücksichtigt, daß sich die Stadt Oldenburg seit mehr
als 2 Jahren mit der Problematik auseinandersetzt, ohne daß eine
befriedigende Lösung gefunden wäre und daß ähnliche
Projekte in zahlreichen Städten der Bundesrepublik Deutschland gedultet
werden. Beispielsweise haben die Städte Hannover und Frankfurt mit
Wagenburg-Bewohnern Gestattungsverträge über die Nutzung städtischer
Flächen abgeschlossen. Diese Verfahrensweise dürfte von der Überlegung
bestimmt sein, daß von Wagenburg-Bewohnern die grundsätzlichen
baurechtlichen Anforderungen noch am ehesten auf städtischem Gelände
wegen der gegebenen Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten erreicht
werden können. (...) Die verfassungsrechtlich gewährleistete
Eigenverantwortung der Gemeinde eröffnet der Stadt Oldenburg in der
gegebenen Situation also Spielräume, die von der Kommunalaufsicht
nicht strikt eingeschränkt werden dürfen. Diesem Ergebnis entspricht
auch die Rechtslage des 89 NBauO, wonach die Bauaufsichtsbehörde beim
Vorliegen besonderer Umstände baurechtswidrige Zustände tolerieren
kann. (...) In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß ich
als oberste Bauaufsichtsbehörde keine Einwände erheben werde,
wenn der Beschluß des VA umgesetzt und die Nutzung des Geländes
am Stau durch die Wagenburg-Bewohner vorrübergehend geduldet wird.
Nach alldem war der Beschluß des Verwaltungsausschuss vom 31.10.1994
nicht zu beanstanden.
Im Laufe diverser Verhandlungen zwischen dem Verein und den Vertretern
der Stadt wird inzwischen ein 1600 qm großes Gelände am ehemaligen
Schlachthof am Stau favorisiert und zusammen mit dem Rat der Stadt ein
Vertrag ausgehandelt, der, trotz verschiedenster Beschränkungen und
Auflagen (z.B. Beschränkung der Wagen auf maximal 12 Wohn- und 5 Gemeinschaftswagen
und einer Wohngruppengröße von 15 Personen sowie diverser Auflagen
bezüglich sanitärer Anlagen, Nachtruhe, Verkehrssicherheit, Haltung
von Haustieren, Besucher- und Gästeregelung etc. und einem Pachtzins
von 1000,--DM /Monat) von allen Vertragsparteien gebilligt und dem sich,
nach langem Hin- und Her und wiederholter (nunmehr aber vergebliche) Intervenierung
bei der weisungsberechtigten Bezirksregierung (s.o.) schlußendlich
auch die zuständige Oldenburger Verwaltungbehörde anschließt.
Seit dem Mai 1995 wohnen die "blöden Butterpilze" - nachdem
auch die beschlagnahmten Wagen wieder freigegeben worden sind (28)
verhältnismäßig unbehelligt auf ihrem Wagenplatz, wenn
auch nur jeweils auf ein Jahr befristet. Da aber auch dieses Gelände
Teil einer allgemeinen Stadtsanierungsphase ist, ist eine erneute Auseinandersetzung
um passenden Wohnraum allerdings vorprogrammiert.
3.5.2.2.2. Die Bewohner und das Projekt-Seminar an der C.v.O.-Universität
Im Umfeld der Auseinandersetzungen um einen geeigneten Standort für
das Wagendorf-Projekt der "Blöden Butterpilze" wurde von
verschiedenen Unterstützern und Sympathisanten überlegt, wie
eine mögliche Unterstützung aussehen könnte.
Da traf es sich, daß - durch den vorrübergehenden Aufenthalt
an der C.v.O.-Universität bedingt - neben der Studentenschaft auch
einige Professoren und Lehrende auf den nun offen zutage getretenen Konflikt
aufmerksam wurden.
Einer von ihnen, der Oldenburger Professor Wolfgang Nitsch, machte dieses
Problemfeld im folgenden zum Thema eines Projekt-Seminars, um so einerseits
seine persönliche Solidarität zu bekunden und andererseits auch
eine seriös-wissenschaftliche Grundlage aufzubauen und vielleicht
durch das so geschaffene, objektiv neutrale, Forum gewisse Schwellenängste
der an diesem Konflikt Beteiligten abzubauen.
Es sollten Vetreter der beiden Streit-Parteien zu Wort kommen, Fachleute
aus den Bereichen des Verwaltungs- und Baurechts eingeladen werden, und
auch die im Oldenburger Stadtrat vertretenen Parteien sollten zu Wort kommen,
damit so die verschiedenen Streitpunkte auf mögliche Gemeinsamkeiten
abgeklopft und vielleicht bestehende Animositäten beigelegt werden
könnten.
Leider war die allgemeine Resonanz auf diese Ankündigung sehr verhalten
und nur wenige Interessierte fanden den Weg zu der Veranstaltung und bis
auf einen Vertreter der Partei der Oldenburger Linken (OLLI), Reinhold
Kühnrich, und dem schon erwähnten Pu Schröder, fühlte
sich anscheinend niemand von der Problematik angesprochen. Aber auch die
Hauptbetroffenen selbst, die Bewohner des Wagendorfes, reagierten eher
spröde ob diesem Interesse an ihrer Person und blieben peu à
peu weg. So blieb denn in Folge der Kreis der Teilnehmenden auf einige
wenige - nicht im Wagen lebende - Studenten beschränkt und die im
Seminar gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse blieben, ohne eine praktische
Umsetzung erfahren zu haben, im universitären "Elfenbeinturm"
hängen.
Das vorliegende Interview, entstanden bei einem Besuch des Wagendorfes
im Mai, wurde nicht von uns, sondern von anderen Teilnehmern des Seminars
geführt und protokolliert. Nichtsdestoweniger haben wir uns entschieden,
dieses Intervierw-Protokoll aufzunehmen, da unsere persönlichen Kontakte
zu den Bewohnern des Wagendorfes eher unterkühlter Natur waren (und
sind). Vielleicht deshalb, weil uns, den "Wissenschaftsknechten"
ein gewisses "Verwertungsinteresse" unterstellt worden ist und
ihnen der von uns vorgelegte Fragebogen als äußerst dubios und
unangemessen erschien.
Besuch bei den Bewohnern des Wagendorfes "Blöder Butterpilz",
Oldenburg, 1995
Frage: Wie bist Du dazu gekommen, im Wagen zu leben?
Frau, A.,: Ich habe zwei Jahre alleine gewohnt in einer zu teuren Wohnung
ge wohnt, aber eigentlich wollte ich nie alleine wohnen. Ich habe dann
mit sechs Leuten ein Haus gesucht, wir haben aber keines gefunden. Wir
haben dann in Kassel auf einem Wagenplatz gepennt, das fand ich völlig
klasse. Eine andere Gruppe in Oldenburg hat gleichzeitig (September 1992)
Plätze besetzt...Wir sind dann auf die Leute zugegangen, und die,
die Lust hatten (vier Leute) sind dann dort hingezogen. Insgesamt war es
die Unzufriedenheit mit dem Wohnungsmarkt, die Schwierigkeit, mit vielen
ein Haus zu finden und, daß es mir wichtig war, mit vielen Leuten
zusammen zu wohnen.
Frage: Wie haben Deine Eltern reagiert?
Frau, A.: Sie haben es als Spinnerei abgetan, aber mich weiterhin finanziell
unterstützt.
Frage: Wie seid Ihr beiden anderen dazu gekommen, im Wagen zu wohnen?
Mann, A.,: Angefangen hat es mit Hausbesetzungen (1991), wo wir immer
sofort wieder geräumt worden sind. Die Gruppe hat sich dann aufgeteilt;
ein Teil der Gruppe ist nach Süddeutschland gereist und hat dort Wagenburgen
in Stuttgart und Tübingen kennengelernt. Ein Grund für die Wagenburg
in Oldenburg war für uns auch, hier politisch Stunk zu machen. Nach
einer Hausbesetzung wollten wir auf die katastrophale Wohnungsmarktsituation
aufmerksam machen, wer alles daran verdient und damit, plump gesagt, warum
der Kapitalismus scheiße ist. Das ließ sich mit der Wagenburg
nicht mehr so gut verkaufen. Wir haben uns dann eine neue Strategie überlegt:
weiterhin auf die Wohnungsnot aufmerksam zu machen und den ökologischen
Aspekt des Wagenlebens hervorzuheben, was aber nicht mehr so allgemeingültig
war. In der Zwischenzeit finde ich Wagenburgen wegen dem ökologischem
Aspekt besser.
Frage: Was ist aus dem anderen Teil der Gruppe geworden?
Mann, A.,: Der andere Teil der Gruppe hat sich sozusagen ein Haus "erschlichen".
Die sind in ein Haus gezogen, das abgerissen werden sollte, für das
es aber keine Abrißgenehmigung gab. Dafür gab es einen Mietvertrag
und in den haben sie sich dann eingeklinkt.
X,: Ich wohne noch nicht richtig in der Wagenburg, möchte aber
hier einziehen. Mir ist es wichtig, Alternativen zu leben. Früher
habe ich bei Hausbesetzungen mitgemacht. Ich will mit Leuten leben, mit
denen ich den Alltag teilen und Politik machen kann. Wagen haben mich schon
früher fasziniert. Seit Sommer 1994 habe ich mich aktiver bei wagenburgpolitischen
Geschichten eingeklinkt. Das war viel Bürokratiekrieg. Jetzt richte
ich mir gerade einen Wagen ein.
Frage: Wer wird bei Euch aufgenommen, gibt es dafür Bedingungen?
Frau, A.,: Das ist bei uns ähnlich wie bei einer WG mit politischem
Anspruch. Natürlich ist viel persönliche Sympathie dabei, aber
es ist auch wichtig, daß nicht ständig über grundsätzliche
Sachen diskutiert werden muß.
Mann, A.,: Es ist auch wichtig, daß die Leute bereit sind,
sich mit Streß mit der Stadt oder Streß mit Faschos auseinanderzusetzen.
Frau, A.,: Ich habe im Moment immer weniger Lust auf Leute, die
anders drauf sind, obwohl man von denen auch immer etwas lernen kann. Ich
habe im Moment auch keine Lust auf Kinder. Ich habe mich eigentlich erst
durch die Wagenburg richtig politisiert. Wir leben hier nach dem Konsensprinzip
und herrschaftsfrei. Ich habe gerade das Gefühl, daß es bei
uns einen Widerspruch zwischen dem, was nach außen getragen wird,
und dem, was gelebt wird, gibt. Zum Beispiel konnten wir uns wegen dem
Streß mit der Stadt wenig um ökologische Sachen wie Kompostklo
oder Windrad kümmern.
Frage: Inwieweit ist die Konsensfindung nach rechts und links offen?
Wie absolut ist der Konsens? Wo fängt die Privatsphäre an?
Frau, A.,: Für das, was alle betrifft, muß eine Lösung
gefunden werden, mit der alle leben können. Wir haben keine Lust aufs
Mehrheitsprinzip.
Frage: Betrifft der Konsens nur das Leben hier ( die Gemeinschaft ),
oder generell die politische Meinung?
Frau, A.,: In der Wagenburg nur das Zusammenleben. Selbstverwaltung
ist halt tierisch anstrengend, in Drielake war es einfacher, da hatten
wir nur sieben Leute. jetzt ist es halt schon schwierig, einen Termin zu
finden - bei 15 Wagen.
Frage: Werden auch Leute rausgeschmissen?
Mann, A.,: Ja, wir haben auch schon Leute rausgeschmissen. Zum Beispiel,
als Räumung war, hat sich rausgestellt, daß alle mit einer Person
Schwierigkeiten hatten. Die mußte dann gehen.
Frau, A.,: Nochmal zum Konsensprinzip. Das ist zwar anstrengend,
aber es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, wenn ich etwas nicht haben
kann, dann läuft das auch nicht.
X: Ich habe schon mal mit zehn Leuten in einer WG gelebt, wo wir
sehr schlechte Erfahrungen mit dem Mehrheitsprinzip gemacht haben. Das
Konsensprinzip ist für mich keine Schwierigkeit, sondern eine Lösung.
Es muß halt gelernt werden.
Frage: Gibt Euch das Konsensprinzip das Gefühl von Zusammenhalt
und Stärke? Ist die Wagenburg für Euch so etwas wie eine Ersatzfamilie?
Mann, A.,: Klar ist es eine Ersatzfamilie. Es ist wichtig, Kulturen
zu schaffen, die Ersatzfamilien sind. Also ist es wichtig, gemeinschaftlich
zu leben. Was hier doof ist, ist, daß es nur eine Generation gibt.
Aber dann ist es natürlich noch schwieriger, alle Bedürfnisse
unter einen Hut zu kriegen.
Frage: Habt Ihr in anderen Wagenburgen mehrere Generationen gesehen?
Mann, A.,: Ja, da wohnen auch Leute, die um die 30 sind, und natürlich
Kinder.
Mann, R.,: In Berlin, in der Potse, wohnen viele 30-40-50-jährige.
Da sind dann z.B. auch BeamtInnen (LehrerInnen) dabei, für die das
ein Ausdruck von Lebensgefühl bedeutet. Die haben aber keine gemeinsame
Strukturen, da kommt es eher zu "Grabenkämpfchen".
Frage: Wie war das bei Euch am Anfang, als Eure Gruppe mit der Gruppe
in der Cloppenburger Straße zusammengezogen ist? Wurden da Regeln
geschaffen?
Mann, A.,: Das hat sich halt so ergeben. Es war gut, daß es mit
denen zusammen ging. Die hatten halt kein Bock, auf zwei Wagenburgen auf
einem Platz, und so waren wir von Anfang an eine Gemeinschaft. Ein Gemeinschaftswagen
ist dabei sehr wichtig. Wir hatten von Anfang an eine gemeinsame Kasse,
am Anfang hat sogar jede und jeder alles von ihrem/seinem Geld in eine
gemeinsame Kasse getan. Das haben wir aber jetzt abgeschafft.
Frage: Warum?
Frau, A.,: Das Gruppengefühl hat sich verschlechtert, und ich
hatte das Gefühl, draufzuzahlen. Es gab halt Leute, die haben wenig
eingezahlt und auch sonst nichts Großartiges gemacht. Das heißt,
keine Gemeinschaftsarbeiten, nichts Politisches... Jetzt haben wir damit
erst einmal aufgehört. Aber mit einer anderen Gruppe würde ich
das gerne wieder so machen.
Mann, A.,: Ich nicht.
Frage: Habt Ihr dann eine Teilkasse?
Mann, A.,: Ja klar, für Essen, Werkzeug, Platztechnik, Trecker,
Klowagen etc. Bei einer Gemeinschaftskasse ist halt das Tolle, Du mußt
Dir keine Gedanken um's Geld machen. Wenn halt keins mehr da ist, muß
eben gespart werden. Andererseits hatt ich dann auch immer ein schlechtes
Gewissen, ist das jetzt ok, wenn ich mir ein Snickers kaufe? Jetzt kann
ich mir ohne schlechtes Gewissen ein Snickers kaufen.
Bei so 'ner Kasse gibt`s auch ganz schnell Streß. Es war halt auch
immer die Frage, mache ich jetzt genug, oder zuviel, bin ich zufrieden,
sind die anderen zufrieden... aber das ist halt das Prinzip der Anarchie.
Du mußt eben lernen, das richtige Maß zu finden.
Frau, A.,: Für mich gab es auch persönliche Gründe,
wieder eigenes Geld haben zu wollen. Ich wollte mal wieder ich selbst werden,
und nicht nur Teil der Wagenburg sein.
Mann, B.,: Ich weiß, daß in Israel viele junge Leute
keinen Bock mehr auf Kibbuz haben. Sie wollen nicht mehr so eingebunden
sein, sondern mehr ihr eigenes Ding machen, das hat vielleicht ähnliche
Gründe.
Frage: Gibt es eine festgelegte Arbeitsteilung?
Mann, A.,: Leider gibt es bei uns eine ziemlich geschlechtsspezifische
Arbeitsteilung. Das Gegenbeispiel ist eine Frau, die gerne an Autos schraubt,
und ein Typ, der gerne kocht. Also ich bastele auch lieber, als Haushalt
zu machen.
Frage: Macht jede/r, was sie/er kann, oder gibt es dafür einen
Plan?
Mann, A.,: Also müssen muß erst mal niemand. Es ist halt
das Problem, daß wir in der geschlechtsspezifischen erziehung auf
bestimmte Gebiete einfach besser vorbereitet werden, d.h., daß wir
manche Sachen eben besser können.
Frage: Wird das als Problem diskutiert?
Frau, A.,: Es gibt schon viele Diskussionen über die Arbeitsteilung.
Es ist teilweise auch so, daß frauen sich technische Arbeiten ganz
gerne abnehmen lassen. Ich selbst muß halt erst beim Ausprobieren
einmal merken, daß Sachen gar icht so schwer sind. Zum Beispiel habe
ich neulich zum ersten Mal meinen Wagen rangiert und gemerkt, daß
es viel leichter ist, als ich dachte.
Frage: Wie aufwendig sind die Gemeinschaftsarbeiten, was gehört
dazu?
Frau, A.,: Zum Beispiel Trecker reparieren, Klohäuschen verschönern
und der übliche Hauskram.
Frage: Kocht Ihr jeden Tag zusammen?
Frau, A.,: Wir kochen schon oft zusammen, aber es gibt dafür keinen
Plan. Wer Lust hat zu kochen, kocht und sagt den Anderen Bescheid.
Frage: Habt Ihr ein Kompostklo?
X.: Die Stadt behauptet, ein Kompostklo sei nicht genehmigungsfähig.
Das ist aber gelogen, denn es gibt schon genehmigte Kompostklos.
Einwand: Aber dann hattet Ihr doch ein schlagendes Argument für
die Verhandlungen?
X.: Die Stadt hat sich auf bestimmte Punkte überhaupt nicht eingelassen
und unsere Argumente gar nicht angehört. Ein Punkt war eben Wasser-
und Abwasserleitung. Die Stromleitung sollte mit dem Argument gelegt werden,
daß das Wasserrohr im Winter nicht einfriert.
Frage: Wie ist das zahlenmäßige Verhältnis von Männern
und Frauen?
Mann, A.,: Das ist eigentlich rein zufällig immer gleich.
Frage: Gibt es Regeln für's Plenum?
Frau, A.,: Anfangs haben wir immer Tagesordungspunkte gemacht und alles
mitgeschrieben. Jetzt machen wir nur noch TOP's. Früher haben wir
uns auch einmal am Tag zum Plenum getroffen. Jetzt nur noch alle 14 Tage.
Frage: Wie steht es um die Außenbeziehungen der Wagenburg? Gibt
es da Ideen für die mittlere Zukunft?
Mann, A.,: Wir haben verschiedene Sachen gemacht. Zum Beispiel eine
Kundgebung, als die Wagenburg in Köln geräumt werden sollte,
oder auf einer 1. Mai-Demo einen Redebeitrag gehalten. Es ist wichtig,
viel zu machen, damit das, was wir bisher gegen die Herrschenden durchgesetzt
haben, weiterhin möglich ist bzw. noch viel mehr.
Frage: Was steht konkret an?
Frau, A.,: Eine "Freufeier". Bei der wollen wir einen Film
zeigen, eine Gruppe will vielleicht Theater spielen etc. Außerdem
wollen wir unsere Sachen archivieren. Aber nicht mehr auf Stellwänden,
die gehen so schnell kaputt, sondern eher in Form eines Albums o.ä.
Frage: von wem braucht Ihr Hilfe/Unterstützung von außen?
Mann, A.,: Hier auf dem Platz ist das einzige Problem die Kohle. Wir
haben politisch nur erreicht, einen Platz mieten zu dürfen, dafür
bezahlen wir einen überhöhten, politisch motivierten Preis. Leider
haben wir nicht durchsetzen können, einfach so auf einem Platz stehen
zu dürfen. Wir bräuchten finanzielle UnterstützerInnen für
die Platzmiete.
Frau, A.,: Ich habe Schwierigkeiten, um Geld zu bitten, weil viele
andere Projekte auch dringend Geld brauchen.
Prof.: In diesem Fall ist es eine politische Aktion, Geld zu fordern,
keine Bettelei. Die Stadt verlangt einen politischen Preis, und es gibt
genug Leute, die sich darüber ärgern. Von denen könnte praktische
Unterstützung kommen (Lehrer, Uni-Dozenten, etc.)
X.: Für mich bedeutet praktische Unterstützung, daß
viele Leute selbstbestimmt leben, viel selbstverwaltet gemacht wird. und
so eine Gegenkultur geschaffen wird. Je mehr selbstbestimmtes Leben es
gibt, desto "normaler" wird es. In Oldenburg sind selbstbestimmte
Projekte einfach noch zu exotisch.
Prof.: Eine praktische Hilfe des Projekts könnte sein, Beweise
zu sammeln, daß Kompostklos eine zulassungsfähige Entsorgung
sind, und daß es sie an verschiedenen Orten auch schon gibt. Außerdem,
daß sie mit dem Landschaftsbild vereinbar sind.
Da wir, wie schon angemerkt, so gut wie keinen persönlichen Kontakt
zu den "Butterpilzen" aufbauen konnten, haben wir einen der beiden
"Vermittler zwischen den Welten", Pu Schröder, zu den Vorgängen
um die Oldenburger Wagenburg befragt:
Frage: Pu, Du hast die Wagenburg die ganze Zeit über begleitet.
Wie ist deine Einschätzung in Bezug auf den Kampf um einen Wagen-
platz und die letztlich erfolgreiche Legalisierung.
PU: Der Erfolg beruht auf einem zähen Aushalten der Wagis gegenüber
der Zermürbungstaktik der Stadtverwaltung, die mit allen Mitteln einen
Platz verhindern wollte. Das artete schließlich zu einem persönlichen
Krieg von Oberstadtdirektor Wanscher aus, der mit völlig überzogenen
Mitteln die Wagis finanziell und juristisch fertig machen wollte. Die Polizeiaktionen
und Beschlagnahmungen machten wir eindrucksvoll mit Flugblättern und
Presseerklärungen öffentlich, so daß die Unverhältnismäßigkeit
einer so kleinen Gruppe Andersdenkender gegenüber, die einfach nur
versuchen, anders zu leben, allen Oldenburgern klar werden mußte.
Sie derart zu verfolgen, die Wagen zu beschlagnahmen und dadurch die Wagis
in die Obdachlosigkeit zu zwingen, auch durch die entstandenen Kosten der
Sicherstellung und Aufbewahrung, stellt eine rigorose Zermürbungstaktik
dar, die viele Oldenburger und auch viele aus dem Rat gegen die Verwaltung
aufbrachte. Weder Polizei noch Bezirksregierung wollten schließlich
die überzogenen Maßnahmen weiter mittragen.
Der weitestgehende Erfolg war, daß der Verwaltungsausschuß
eine Suspendierung Waschers von diesem Fall beschloß. Immerhin verfügt
die Verwaltung über immenz viel Erfahrung und Professionalität,
daß sie es meistens schafft, die Gegenseite zu zermürben und
versucht, diese mit ungenügenden und tendenziösen Auskünften
oder einem Verschweigen der jeweiligen Möglichkeiten und Rechte abzuwimmeln.
Auch sind Informationswege zwischen NWZ, der Verwaltung und den sonstigen
etablierten Interessengruppen eingefahren und schwer zu unterbrechen. Darauf
haben wir uns eingestellt und mit Nitsch und den jeweiligen Wagis haben
wir dem entgegengearbeitet und letztlich ja auch Erfolg gehabt.
Frage: Wie schätzt du die Arbeit der Wagengruppe politisch ein
und wie politisch, meinst Du, versteht sich die Gruppe selbst.
Pu: Zuerst einmal habe ich eine tiefe Achtung vor solch einem Engagemeint
und dem Versuch, ein "Anders zu leben" zu wagen und dabei fast
alles bisherige aufzugeben und fast bis zur Selbstaufgabe zu riskieren.
Diesen Entschluß halte ich für eminent politisch. Leider wird
von der linken Szene an solche Projekte ein viel zu hoher Anspruch gestellt,
daß die Gruppe nicht nur Praxis und Alltag hinkriegen und die nötige
Legalisierungsarbeit leisten, sondern sie sollen auch noch die soziologischen,
politischen und weiß, was sonst noch für Analysen liefern, die
dann entweder konsumierbar oder kritisierbar sind. Das sind unerfüllbare
Ansprüche, die nicht zu leisten sind. Eine anfängliche Unterstützungseuphorie
erlahmt schnell und die linke Szene wendet sich dann wieder neuen Themen
zu. Sich darum auf eine langfristige solidarische Unterstützung durch
eine linke Szene zu verlassen, halte ich für gefährlich. Der
Bestand einer Wagenburg hier in Oldenburg ist schon für sich ein wichtiger
politischer Faktor. Um das zu unterstützen, haben wir einen Verein
gegründet der allgemein alternative Lebensformen unterstützen
soll.
Ich sehe die Wagenburgen als Teil einer politischen Bewegung, das praktische
Leben im allgemeinen anders zu organisieren als es sonst im konsumorientierten
Alltag individuell möglich wäre. Wagenburg als eine Summierung
individeller Versuche, innerhalb dieser Gesellschaft Auswege zu finden.
Je mehr mitmachen um so mehr ändert das auch gesellschaftliche Strukturen.
Frage: Wie meinst du, sieht die "normale" Bevölkerung
die Wagenbe wohner? Kann es einen Weg geben, so daß ein entspanntes
Verhältnis zwischen den Bürgern und den Wäglern entsteht?
Wie könnte dies aussehen?
Pu: Das schwankt zwischen Ablehnung von Störungen und Gesetzesübertretungen
und einer vorsichtigen Toleranz, wobei unsere Monopolzeitung ein bestimmender
Faktor ist, mit dem zu arbeiten wohl überlegt sein will. Wichtig ist
es auch, staatstragende Interessengruppen wie Kirchen, Gewerkschaften,
Parteien, Bürgervereine nicht vor den Kopf zu stoßen, sondern
über aufgeschlossene Mitglieder Verständnis hineinzutragen. Wir
sollten keine Übereinstimmung sondern Toleranz anstreben für
alle Formen alternativen Lebens. Das gelingt mit einer guten Offentlichkeitsarbeit,
die es dem Normalbürger ermöglicht, Verständnis für
unsere Ziele - in diesem Falle die Legalisierung einer anderen Wohnform
- aufzubringen.
Frage: Wie würdest Du die innere Struktur in einem Wagendorf /burg
definieren? Ist es eine eher homogene Gruppe mit einem ge- meinsamen Ziel
(Stichwort: Kommunebewegung) oder doch eher eine Ansammlung von einzelnen
Individuen, die nur zeit- weise den selben Weg haben, aber ansonsten eigene
Ziele?
Pu: Nach meinen Beobachtungen gibt es Wagenburgen, die Sammelsurien
von einzelnen Individuen darstellen, die nicht mehr miteinander zu tun
haben wie z.B. eine Zweckwohngemeinschaft mit einem gemeinsamen Flur. Einigkeit
und gemeinsame Ziele werden nur durch den Druck von außen bestimmt.
Andere Wagenplätze sind themenbezogen wie Frauenplätze und vegane
Lebenseinstellungen. Andere werden von Bewohnern bestimmt, die ganz bewußt
nicht in den üblichen Formen dieser Gesellschaft leben wollen und
darum alle Mitbewohner in Gespräch und Praxis einbeziehen.
Als die ersten Wohngemeinschften zusammenfanden wurden sie von allen mit
viel zu hohen Erwartungen befrachtet und jeder machte die anderen verantwortlich,
wenn es sich dann nicht so entwickelte, wie sie es sich vorstellten. Dazu
waren fast alle so erzogen, daß Mutti alles regelte, säuberte
und wegräumte und Vater zahlte und das versuchte jeder einzelne den
anderen aufzubürden. Daher früher diese endlosen Sitzungen, die
meist beim Abwasch anfingen und bei der Wäsche endeten. Wagis sind
meistens da schon durch. Aber dominantes Verhalten und die immer individueller
werdenen allgemeineren Lebensformen machen ein tolerantes Zusammenleben
nicht einfach.
Frage: Ist das Leben im Wagen ein Modell für eine von mehreren
mögli chen Gegengesellschaften, oder ist dies von vornherein zum Scheitern
verurteilt?
Pu: In einer Wagenburg zu leben, ist zuerst der individuelle Entschluß
jedes einzelnen, anders leben zu wollen. Das kann bei einzelnen Wagenburgen
einhergehen mit einer klaren politischen Forderung, muß es aber nicht.
Diese unsere Gesellschaft ist eine höchst innovative und neigt dazu,
neue Strömungen zu integrieren, zu vereinnahmen und aufzusaugen in
einen gesellschaftlichen Konsumeinheitsbrei. Sich dagegen zu wehren, bedarf
es eines politischen Bewußtseins und einer guten Analyse, was wir
eigentlich machen und wohin wir uns entwickeln und ob wir das so wollen.
Wenn unser Widerstand gegen diese Gesellschaft effektiv wird und gleichzeitig
konfrontativ, kann der Vereinnahmungsversuch auch ins Gegenteil umschlagen
in Verbot und Kriminalisierung. Das kann mit Versuchen einhergehen, zu
spalten in Gutwillige und Integrierbare und Böse und Kriminelle. Das
war besonders bei der Hausbesetzerszene zu beobachen. Wir können uns
unter diesen Aspekten nur zu einer effektiven Bewegung entwickeln, wenn
wir unsere Phantasie und unsere gesellschaftliche Analyse entwickeln, uns
in der Praxis nicht unserer Utopie entfremden und uns nicht als Gruppe
vereinzeln und isolieren sondern als Teil einer gesamtgesellschaftlichen
Entwicklung zu einer solidarischen, freien und ökologischen Lebensform
kommen.
Ich unterstütze die Wagenburg in Oldenburg, weil ich sie auf diesem
Weg sehe. Nicht umbedingt geradeaus sondern wie jede menschliche Entwicklung
als eine Summe der Entwicklung aller Beteiligten in einem individuellen
Lernprozeß.
3.5.3. BREMEN
3.5.3.1. Weidedamm III (29) : Die Geschichte der Bremer Wohn- und
Bauwagensiedlungen ist eng verflochten mit der allgemeinen Klein- und Schrebergartenbewegung.
Nach dem Ende des Krieges, 1945/46, gibt der damalige Bremer Oberbürgermeister
Kaisen das 26 ha große Kleingarten- und Parzellengebiet am Weidedamm
zum freien Siedeln frei, wodurch dem Wohnungsmangel im zerstörten
Deutschland im allgemeinen begegnet, und die direkte Wohnungsnot in der
zerstörten Hansestadt im besonderen gelindert werden soll. Viele Wohnungssuchende,
sowohl Flüchtlinge als auch wohnungslose Bremer machen davon Gebrauch
und schaffen sich so einen neuen, festen Wohnsitz. Damit wird aus dem bislang
reinen Kleingartengebiet ein Wohn- und Freizeitmischgebiet.
Nach diversen Zerstückelungen des Gebietes im Laufe der folgenden
Jahrzehnte zwecks Umwandlung in reine Wohnsiedlungen bleibt letzlich ein
ca 16 ha großes Gebiet über, der sog. "Weidedamm III".
Neben den alteingesessenen Parzellisten siedeln ab der Mitte der 80er Jahre
auch Wohn- und BauwagenbewohnerInnen am Weidedamm III. Insgesamt leben
Anfang der 90er ca. 150 - 250 Menschen in dieser selbstgeschaffenen sozialen
Nische. "Ökos", die nach dem Leben im Rhythmus der Natur
suchen, Alte "Kaisenbewohner", Studenten, Wohnungslose, die sich
hier eine neue Perspektive erhoffen etc. Ca 50 Bau- und Zirkuswagen, eingebettet
in die Schrebergartenidylle, runden das Bild ab. Als 1992 Pläne zur
endgültigen Umgestaltung des Geländes in ein reines Wohngebiet
Gestalt annehmen, gründen einige der betroffenen Bewohner den "Verein
Grüner Weidedamm", der sich für den Erhalt dieses "Experimentes
des sozial-ökologisches Zusammenlebens" (GRÜNE) einsetzen
will.
Vergebens. Nach 2 jährigem, teils erbittertem Kampf wird im Herbst
1995 das Gelände endgültig geräumt, die Parzellen geebnet,
die Häuser zerstört, und die restliche, noch ausharrenden Bewohnervertrieben.
Der Verein "Grüner Weidedamm" erstreitet sich daraufhin
in zähen Verhandlungen mit der Stadt einen neuen Platz in Bremen-Lesum
(s.u.), für die restlichen Wagenbewohner bedeutet dies eine Odysee
durch die ganze Stadt, wenn sie nicht vorher schon entweder die Stadt verlassen
oder sich in Gänze vom Wagenlebenleben verabschiedet haben.
Angeregt von der Vereinsidee und den sich daraus ergebenen Erfolgen des
"grünen Weidedamms" gründen 13 ehemalige Weidedammbesetzer
ebenfalls einen "Verein für konstruktiven Wahnsinn - einfach
leben, leben lassen" (KWELL), der allerdings auf keine Gesprächsbereitschaft
seitens der Behörden stößt, da dessen Serösität
bezweifelt wird (30) .
So kommt es, wie es auch aus anderen Städten berichtet wird: Die Wägler
ziehen durch die Stadt, besetzen Plätze, werden geräumt, besetzen
erneut und werden wiederum vertrieben (31), bis viele Wagenbewohner
entnervt aufgeben und sich in alle Winde verstreuen (32), oder versuchen,
sich alleine durchzuschlagen.
3.5.3.2. Das Wagen- und Hüttendorf in Bremen-Lesum: Im Herbst
1996 besuchen wir die Siedler vom Ökodorfprojekt in Bremen-Lesum und
lassen uns von Klaus Möhle, Gründungsmitglied und Abgeordnerter
der GRÜNEN im der Bremer Bürgerschaft, die Situation auf dem
Platz erklären:
Der Platz besteht seit Jan 1995 und ist einer der wenigen legalen bundesdeutschen
Wagendorf-Plätzen mit einem gültigem Pachtvertrag. Der Verein
"grüner Weidedamm" hat mit der Stadt Bremen einen Vertrag
ausgehandelt, der voraussichtlich noch bis zum 31.10.1999 Gültigkeit
haben wird. Der Jahresbetrag beläuft sich auf 31.125 DM, zahlbar in
vierteljährlichen Raten an die Stadtkasse, zuzüglich Kosten für
Strom, Wasser, Grundsteuer und Deichpflicht. Z.Zt. wohnen ca. 50 Personen
auf dem Platz. Lt. Pachtvertrag ist damit auch die Personenhöchstgrenze
erreicht. Eine Überschreitung würde die Stadt zu einer sofortigen
Kündigung berechtigen! Die durchschnittliche Pacht pro Bewohner liegt
bei ca. 150 - 200 DM. Lt. Pachtvertrag wird nicht ausdrücklich auf
das Leben im Wagen abgehoben, sondern läßt einen Spielraum für
viele individuelle Wohnlösungen. So sind neben Zirkus- und Bauwagen
auch selbstgezimmerte Hütten und Lauben, Lehmbauten und Erdwohnungen
zu finden. Sogar die traditionellen Indianertippies fehlen nicht.
Bewußt wird auf eine ökologische Grundausrichtung geachtet.
Überall sieht man Solarmodule und -panele für die individuelle
Stromerzeugung und Warmwasser- aufbereitung.
Es grünt und blüht und das Ganze ähnelt eher an an alternatives
Kleingartenleben. Der Zuzug von neuen Bewohnern wird intern geregelt. Grundlage
dafür ist das wöchentliche Plenum nach dem Allg. Konsensprinzip.
So wurden in der Vergangenheit auch schon einmal Interessenten des Platzes
verwiesen und auch die auf der Flucht befindliche Frauenwagengruppe mußte
sich Platzalternativen suchen. Großen Wert gelegt wird bei der Auswahl
insbesondere darauf, daß der Platz auch nach außen alternativen
Anforderungen genügt: Kein "Siff", keine (harten!) Drogen,
kein Schrott und Müll. Keine Auto-Schraubereien. Bewußt wird
so eine scharfe Abgrenzung zu Wagenburgen a la "East Side Gallerie"
(Berlin) gezogen. Die einzelnen Wagen und Hütten haben durchweg Stromanschluß.
Natürlich gehört der Telephonanschluß inzwischen auch standartmäßig
dazu. Wasser wird in Kanistern vom Wasserplatz geholt. Die Fäkalienentsorgung
ist sowohl individuell (Komposttoilette etc.) als auch durch eine allemeine,
im regelmäßigen Abständen von der Stadt geleerte, Toilettenanlage.
Im Juni 1997 besuchen wir das Ökosiedlungsprojekt erneut, um uns über
die weitere Entwicklung des Platzes zu informieren. Einer der Bewohner,
44 Jahre , erzählt uns, was sich in der Zwischenzeit getan hat und
berichtet über sein Leben und seine Erfahrungen im Parzellengebiet
am Weidedamm und über das Zusammenleben innerhalb der neuen Gemeinschaft
in Lesum und den Problemen, mit denen die Siedler zu kämpfen haben:
"Ich wohne jetzt seit Okober 1994 im Wagen. Im Weidedamm hatte ich
ein kleines Häuschen. Als wir geräumt wurden, habe ich mir einen
Bauwagen besorgt, ihn ausgebaut und bin dann mit Sack und Pack hierhergezogen.
Zuerst war es eine Notlösung mit dem Wagen, aber in die Stadt wollte
ich nicht zurück. Hier hab ich dann den Vorbau angesetzt und zu einem
Raum ausgebaut, so daß es insgesamt eher einem Haus, einer Hütte
gleicht.
Vor dem Weidedamm wohnte ich in in einer Land-WG. Danach in der Stadt,
mit allem drum und dran. Gelernt habe ich Werkzeugmacher. Später habe
ich malocht, als Hochfrequenzelektroniker bei Krupp-Atlas, mit schnellem
Auto und Haus etc. und hab dann gemerkt: Was soll der ganze Unsinn: Du
machst dich kaputt und alle Dinge, die wichtig sind, wie sich gut zu fühlen
und die zwischenmenschlichen Beziehungen und so, bröckeln ab und zerbrechen.
Dann habe ich mit einem Freund richtig "Platte gemacht" und bin
als Berber durch Deutschland gezogen. Über einen Freund habe ich dann
vom Weidedamm gehört und bin schließlich dorthin gezogen und
habe da die Kneipe betrieben. Jetzt mache ich bewußt gar nichts.
Ich war also beim Weidedamm fast von Anfang an dabei. Ausgestiegen, eingestiegen,
ausgestiegen. Schon früher habe ich alternativ gelebt, KBW etc. und
diese Vergangenheit lebt immer noch nach.
Wir wollten dieses Projekt verwirklichen mit dem Anspruch, Leben und Arbeiten
am Ort, als reines ökologisches Gebiet, ohne Autos etc.. Am Weidedamm
fing alles an und hier findet jeder seine Ecke, wo er sich verwirklichen
kann. Und das ist Politik für mich. Also: Ich halte das Leben im Wagen
für hochpolitisch, weil die herrschende Klasse schon immer Probleme
hatte mit Menschen, die variabel waren, die nicht an einen festen Standort
gebunden waren, die einfach abhauen konnten, wenn sie wollten.
Ich habe hier eine Zwischenform gewählt, zwischen Wagen und Häuschen.
Trotz dieser Tatsachen, die eigentlich genau dem Leben eines normalen Staatsbürgers
entspricht, werden wir trotzdem schief angeguckt. Als wir hier anfingen,
gab es viel Ressentiments: "Die klauen Euch alles. Die Zigeuner kommen.
Weg mit dem Gesocks..." und so weiter.
Das hat sich, wenigstens in der näheren Nachbarschaft, geändert.
Jetzt kommen sie zu Besuch. Die schenken uns dies und das und wir trinken
mal einen zusammen. Die anderen kennen uns nur über die Zeitungsberichte
etc.. Wir machen alle unsere Erfahrungen. Für uns waren das die "Spießer,
die ihren Rasen mit der Schere schneiden" und so weiter, aber im Laufe
der Zeit haben wir festgestellt, daß die Leute in Ordnung sind. Wenn
man die Berührungsängste überwunden hat, klappt das auch.
Man sollte auch nicht die Wirkung vergessen, die die Kindersendung, Löwenzahn/Pusteblume,
mit dem Peter Lustig, auf unser Ansehen hier hat. Eine suberbe Sendung,
eine super geile Kindersendung, die ich total geil finde, bis heute noch.
Wir wollten ja von Anfang an ein offenes Projekt, wo jeder auch zuschauen
kann, ohne gleich bedroht zu werden... Wir können nur als Projekt
existieren und auch den Vertrag verlängern, wenn wir offen sind nach
außen, indem wir den Leuten zeigen, daß es anders geht. Wir
haben ein Sommerfest gemacht, wo viele Leute von außen kamen, Politiker,
Beiräte, Nachbarn etc. Die fanden das alle auch ganz nett, die konnten
sehen, da entwickelt sich was, da entsteht was. Vorher war hier ja nichts,
nur gelber Sand und darunter meterdicker Lehmboden.
Wir wollten wenigstens einen Grundkonsens haben beim Zusammenleben. Wir
stellen keine große Anforderungen. Aber jetzt hat sich das verändert.
Jetzt leben hier eigentlich drei Gruppen auf dem Platz. Die größte
Gruppe, wir, die aus der Nordkurve mit ca. 18 bis 20 Leuten, ist die, die
wirklich etwas anderes leben wollen, eigentlich das, was wir im Weidedamm
nicht verwirklichen konnten. Die zweite Gruppe, die Mitte, 10 Leute, steht
auch in der Mitte. Die sind politisch, sehr politisch, aber nur da, wo
es weit weg ist, wie Mexiko, Weltpolitik etc.
Ähnlich wie die Oldenburger, die "Butterpilze" , wo es auch
einige Kontakte hin gibt, aber das sind auch sehr merkwürdige, seltsame
Leutchen, vom Anspruch her fast identisch mit unserer Mitte. Die Mitte
wollte aber nur für die Weltrevolution kämpfen und hatte mit
dem Gestalten vor Ort weniger am Hut. Und dann die dritte Gruppe, die Südkurve,
auch 10 Leute, die wollen nur schrauben an ihren Autos und alles andere
war denen egal und wir wurden beschimpft als "Ökofaschisten,
Arschlöcher" etc.
Diese Dreispaltung nun zu durchbrechen durch Gespräche und Diskussionen
und endlose, nächtelange Plena war schier unmöglich. Wir drehten
uns nur im Kreis und es kam nicht voran und endete in richtigen Grabenkämpfen
zwischen Südkurve (Schraubern), Mitte (Autonome) und uns, der Nordkurve,
den Ökos. Das Problem aber ist, daß diese Grabenkämpfe
unsere Existenz bedrohen, und das will vielen nicht einleuchten. Der Vertrag
läuft bald aus, und die da draußen reiben sich die Hände.
Das ist einfach nicht das, was wir hier leben wollen. Und es ist kein konstruktiver
Dialog, da ist kein Austausch möglich. Gerade der Konflikt mit den
Schraubern von der Südkurve. Ich kriege das auch für mich nicht
geregelt, aber wir haben keine andere Möglichkeit, als den zu kündigen
und unter Umständen räumen zu lassen, denn die wollen nicht gehen.
Dann sollen sie [die Mitte]sich doch bitte neutral verhalten. Es geht immerhin
um unsere Existenz. Aber schon hingen die Solidaritätstransparente
etc. Das einzige, was wir erreicht haben, ist, daß die Müllberge
und der Schrott abtransportiert worden sind, aber auch nur, nachdem wir
androhten, Bodenproben zu nehmen und die Belastung des Bodens messen zu
lassen. Der ganze Boden war ja kontaminiert von Öl, Benzin, Bremsflüssigkeit
etc.. Wir waren sogar gezwungen Anwälte einzuschalten.
Wir bezahlen 150 DM pro Parzelle und 300,--Kaution für jeden, der
hinzukommt. Dadurch können wir alle infrastrukuellen Kosten bezahlen.
Aber jetzt ist alles ins Stocken gekommen. Gerade einige aus der Südkurve
bezahlen aber nichts, und wir, die das thematisieren und ansprechen, sind
die Arschlöcher und Ökofaschisten. Und die ganze Szene trommelt
mit. Interessanterweise haben die Leute aus der Südkurve die Anwälte
ins Spiel gebracht. Ohne Gesetze leben zu wollen, aber einen Anwalt einschalten,
wenn es Ärger gibt! So mußten wir ebenfalls die Anwälte
einschalten.
Gegen uns, die wir damals, nach der Weidedammräumung, noch durchgesetzt
haben, daß die Schrauber mitkommen können auf den Platz, "Vielfalt
des Lebens. Weidedamm soll weiterleben" etc. haben wir gedacht, und
so haben wir den "Müll" eigentlich selber herangeholt. Wir
versuchten, sie zu integrieren. Jetzt sind wir das rote Tuch. Es kommen
Drohanrufe. Es geht einfach nicht anders. Die Lösung kann nur sein:
Die müssen weg. Und die Mitte kocht ihr politisches Süppchen
damit. Sie arbeiten gegen das Projekt und wissen nicht, was sie tun. Die
Mitte will nichts. Das Projekt hat aber ein ganz anderes Ziel. Wir waren
alle, die wir hier sind, und das waren noch mehr, als jetzt noch da sind,
einverstanden, gewisse Richtlinien einzuhalten. Diese Leute, die, so wie
wir, ein anderes, neues soziales Gefüge aufbauen wollten, sagen jetzt:
nein, haben wir nie gesagt...und...und so langsam kristallisiert sich heraus:
Die wollen nur billig wohnen und das ist alles."
3.5.4 KÖLN
Die Kölner Wagenplatzgeburt liegt im Jahre 1989. Eine kleine unbeugsame
Gruppe besetzt ein atädtisches Brachgelände in Köln-Raderthal
und gründet den Bauwagenplatz "Wem gehört die Welt?"
und können dort verhältnismäßig ungestört in
ihrer Idylle wohnen.
Im Laufe der folgenden 3 Jahre wächst die Siedlung auf 39 Menschen
und insgesamt 40 Wohn-, Bau-, und Zirkuswagen an. Erst im Januar 1994 (Inzwischen
(1991) hat die Stadt Köln das Gelände an einen Autohändler
verkauft, der dort in bälde ein neues Autohaus errichten lassen will)
kommt es zur Auseinandersetzung mit dem neuen Besitzer. Dieser erwirkt
einen Dringlichkeits-Räumungstitel und läßt am 23.02.1994
(die Bewohner werden vorher nicht informiert und sind dementsprechend überrascht)
unter starken Polizeiaufgebot mit Baggern und Räumgerät, Gerichtsvollzieher
und Speditionsfirma (für die Habe der Wägler) die Räumung
erzwingen.
Dabei werden 34 der 40 Wagen als "nicht transportfähig"
deklariert und kurzerhand niedergewalzt, vielfach ohne Rücksicht auf
vielleicht noch enthaltenen Hausrat. Möbel, Gasheizungen, Bücher
, Photos, persönliche Unterlagen, Videorecorder, Fernseher, Geschirr,
Betten, alles, was ein Zuhause ausmacht, wird in den Trümmern der
Wagen vergraben. Jenseits der Absperrung stehen die (ehemaligen) Bewohner
und heulen Rotz und Wasser als sie mitansehen müssen, wie ihr Dorf
in ein Schlachtfeld verwandelt wird (33). Die nunmehr Obdachlosen
werden in einem Studentenwohnheim untergebracht, der geräumte Platz
mit Graben und Erdwall gegen erneute Besetzungen gesichert.
Aber die Wägler geben nicht auf. Sie besorgen sich neue Wagen und
besetzen schon im nächsten Monat am 21.03.94 pünktlich zum Frühlingsanfang
(!) ein ehemaliges Freibad im Stadtteil Riehl. Aber...die Stadt reagiert
sofort und läßt am 14.04. räumen, diesmals allerdings unter
den wachenden Augen des Bezirksamtleiters, eines Polizeidirektors, eines
offiziellen Pressesprechers und weiteren 15 Beobachtern; Alles streng nach
rechtstaatlichen Vorgaben mit vorgeschriebener dreimaliger Räumungsaufforderung
und ohne Gewaltorgien.
Danach geht wieder einmal alles Schlag auf Schlag: 14.4. - 25.4: Umzug
auf einen Parkplatz am Südstadion, 25.04 Volksgarten, 27.04 Rheinufer,
5.6. Caritas-Gelände in Ehrenbach (mit frühmorgentlicher Räumung
am 22.06 nach althergebrachter Art, aber mit kirchlichem Segen (!) und
vorläufiger Festnahme der Frevler), 24.06 ehemaliger Sportplatz der
Diakonie in Michaelshofen, 27.6. städtisches Gelände in Raderberg
und und und. Die städtische Linie scheint klar zu sein: sofortige
Räumung binnen 48 Stunden. Diese Taktik aber bewirkt eine zunehmende
Solisarisierung innerhalb der sog. Szene und zieht Kundgebungen und Demonstrationen
nach sich. Es gibt auch kritische Presseberichte, es entstehen Videofilme
und Dokumentationen und sogar der stadtbekannte "Klaus der Geiger"
widmet den "neuen Nomaden" einen vielbeachteten Song. Am 11.07
endlich wird auf einer außerordentlichen Verwaltungskonferenz entschieden,
den Bauwagenleuten einen vertraglich abgesicherten Platz zuzugestehen.
Am 12. September 1994 findet der - vorerst - letzte Umzug statt. Ziel ist
ein ehemaliges Tankstellengelände mitten in Köln, eingerahmt
von Schnellstraße und Hochbahn, wo sie bis dato, wenn auch nicht
sonderlich zufrieden, noch wohnen.
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Anmerkungen:
(1) vgl. Sonderheft Motz, 22/96
(2) Wir beziehen uns hier auf eine Fülle von Zeitungs- und
Zeitschriftenartikeln aus dem Zeitraum (1988 - 1997), ohne diese aber im
Einzelnen explizit anzugeben. Eine - nicht lückenlose - aber doch
sehr umfassende Auflistung der insgesamt zu dieser Problematik erschienenen
Artikel und Berichte findet sich im Anhang, so daß interessierte
Leser sich dementsprechend kundig machen können.
(3) vgl. Vogelfrai April 1996, S. 13
(4) vgl. Fußnote 3 auf Seite 4
(5) Aus vielerlei Gesprächen wurde deutlich, daß nicht
wenige der uns bekannten Rollheimer sich eine rückzugsmäßige
Zweitwohnungshintertür für den Fall einer Räumung oder sonstigen
Umorientierungen offenhalten
(6) U.a. werden an den Kiosken der Stadt kommerzielle Berlin-Postkarten
verkauft, die die verschiedenen Wagendörfer zeigen mit Unterschriften
wie: "Kreuzberg - alternatives Wohnen", "Beautiful Berlin
- Kreuzberger Wohnmodell" oder "Schönes Berlin - Berliner
alternatives Wohnen" etc.
(7) vgl. Zitty Nr. 23/88, S. 20ff und Berliner Morgenpost v. 13.04.1991
(8) Näheres hierzu ist in den betreffenden Berliner Zeitungsartikeln
(vgl.: Bibliographie) nachzulesen.
(9) Bemerkenswert: Einer der Investoren v. Potzdamer Platz, Roland
Ernst, läßt den zukünftigen Standplatz für die Rollheimer
auf eigene Kosten herrichten und sogar die Polizei läßt die
z.T. schrottreifen Gefährte unbehelligt durch die Stadt ziehen!
vgl.: Süddeutsche Zeitung v. 06.03. 1996
(10) wie z.B. : Wilhelmstraße, Adalbertstraße, Bethaniendamm,
Waldemarstraße, Mariannenplatz, Lenne-dreieck, Engelbecken, "East-Side",
etc.:
(11) Wir haben den Begriff "Wagenburgen" diesmal bewußt
gewählt, da wir uns bei einem unserer Besuche an eine jener Wagenburgen
aus den diversen Westernfilmen erinnert fühlten. In einigen Fällen
waren sie fast schon festungsartig ausgebaut, die einzelnen Wagen durch
Bretter miteinander verbunden, eine Sicht hinein mithin nicht möglich.
Zusätzlich hatten die Wagenburgler Wachposten aufgestellt, da sie
anscheinend mit Provokationen und Razzien seitens der Ostberliner Vopos
und der Westberliner Polizisten rechneten.
(12) vgl. u.a. (TAZ 20.2.90)
(13) vergl. (TAZ 10/11.Nov.93); Siehe hierzu auch: "Unsere
Stadt soll schöner werden" in: Christ und Sozialist, S. 11 -
18 , wo die Räumung der "Engelbecken-Wagenburg" ausführlichst
beschrieben wird.
(14) (WELT 6.April 96)
(15) vgl. hierzu die ausführlichen Berichte der Erlanger Stadtzeitung
"was lefft" und den Redebeitrag zur Wagendemo; siehe auch Hinweis
auf S. 159
(16) Aus der Presseerklärung des Berliner Innensenators Jörg
Schönbohm (CDU) anläßlich der Räumung der "East-Side-Gallery"
. zitiert n. Motz, a.a.O., S. 4
(17) ebenda, S. 6;
(18) Landowsky am 27.02.1997 im Berliner Abgeordnetenhaus, zitiert
n. der Wochenzeitung "Freitag", Nr. 14 v. 28.03.1997
(19) Im wesentlichen bestand die o.g. Gruppe aus den Mitarbeitern
des "W.I.S.H." und den sich daraus in Folge ergebenen Kontakten
mit interessierten Sympathisanten
(20) Eine Vereinsform wurde, trotz vieler grundsätzlicher Bedenken
bez. "deutscher Vereinsmeierei" etc., gewählt, da es der
Gruppe so erfolgversprechender schien, mit den Verantwortlichen aus Politik
und Verwaltung Verhandlungen aufzunehmen. Diese Form der Verhandlungsführung
wurde von allen Verhandlungspartnern im allgemeinen als sehr hilfreich
empfunden, da das Vereinskonstrukt für beide Seiten die notwendige
Seriosität widerspiegelte und mögliche Vertragspartner schon
im vornherein schriftlich benannt werden konnten. Auch andere, spätere
Bauwagendörfler, wie die "blödenButterpilze" u.a.,
ansonsten den gesellschaftlichen Konventionen nicht gerade zugetan, wandten
diesen Kunstgriff erfolgreich bei ihren Verhandlungen an.
(21) Auf einer dieser Veranstaltungen war sogar ein Reporter vom
Oldenburger Rundfunksender zugegen, der den "Hörern aus Stadt
und Land" dies "skurrile", ja vielleicht sogar umstürzlerische
Ereignis näherbringen sollte...
(22) im Anhang als Original abgedruckt
(23) Grundlegende Unterschiede sehen wir im wesentlichen in der
allgemeinen Zusammensetzung der beiden Wagenbewohnergruppen: Die Alterstuktur
lag bei der ersten bedeutend höher ( ca. 28 Jahre und höher)
als bei den Nachfolgern, die im Schnitt Anfang bis Mitte 20 sind. Aber
auch die sonstige Ausrichtung, und das wiegt schwerer, differiert anscheinend
doch stärker voneinander, als es der "nur" 10 jährige
Altersunterschied vermuten ließe:
Kamen die "Alten" noch durchgängig aus der Ökologie-
und Land-WG-Szene, inspiriert von den "Idealen" der nach 68er
Generation, sind die "Jungen" eher der sog. autonomen und Hausbesetzer-Szene
zuzuordnen und ansonsten im wesentlichen eher städtisch orientiert.
(24) aus einem Flugblatt der "Wagenmutigen"
(25) siehe hierzu auch Abschnitt 3.6
(26) vgl. NWZ v. 27.04.1994
(27) Verfügung der Bezirksregierung Weser Ems, vertreten durch
den Regierungspräsidenten Bernd Theilen, vom 23.11.1994
(28) die "Sicherstellungskosten" in Höhe von mehreren
Tausend Mark werden allerdings immer noch seitens der Stadt eingefordert
und ein diesbezüglicher Rechtsstreit wird sich auch wohl nicht vermeiden
lassen.
(29) vgl.: hierzu die Videofilme: "Weidedamm III, Wo hat man
das schon?" und "Weidedamm III, Ein Lebens(t)raum"
(30) vgl.: TAZ v. 12.07.1995
(31) Ähnlich wie in Hamburg, gibt es auch in Bremen ein Gesetz,
das das Wohnen im Wagen generell verbietet, bzw. nur eine jeweilige Verweildauer
von 24 Stunden erlaubt; vgl. auch die diesbezügliche Dokumentation
des Bremer Wohnwagengesetzes im Anhang.
(32) vgl.: TAZ v. 14.04.1997
(33) vgl.: stadtrevue 5/94
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- das Leben wagen!?"