Presseerklärung des AStA der GhK
zur polizeilichen Räumung des Wagenplatz K18

28.11.1997

In der studentischen Vollversammlung der GhK vom 25.11.1997 sprachen die
StudentInnen ihre Solidarität für den Wagenplatz K18 aus. Die
StudentInnen haben auf dieser Vollversammlung eine Resolution
verabschiedet, die den Präsidenten der GhK, Brinckmann, auffordert, die
Zukunft des Wagenplatzes zu sichern. Brinckmann hat mit seinem
Einverständnis zu der polizeilichen Räumung den Beschluß der
Vollversammlung übergangen.

An einem Tag, wo die Hochschulrektoren anderer Universitäten in Bonn
gemeinsam mit den StudentInnen gegen Landes- und Bundesbildungspolitik
demonstrierten, hat der Präsident „sein" Verwaltungsgebäude
abgeschlossen und gegen das Projekt K18 Sondereinsatzkommandos und
Schlagstöcke sprechen lassen. VertreterInnen des AStA wurden von zwei
Angestellten der Zentralverwaltung am Betreten des Gebäudes gehindert.
Die friedlichen, alternativen Vorschläge der studentischen Vertreter,
den Konflikt zu lösen, wurden von der Hochschulleitung abgelehnt.
Seitens der Hochschulverwaltung gab es keinerlei Verhandlungsbereitschaft,
die gewaltsame Eskalation zu verhindern.

Das Resultat:
Mindestens 17 Festgenommene, die 3 bis 11 Stunden in Gewahrsam
genommen wurden; mehrere durch die Polizei verursachte Knochenbrüche,
schwere Augenverletzungen, Kopfwunden sowie Prellungen und bisher nicht
zählbare strafrechtliche Verfahren.

Wir fordern den sofortigen Rücktritt dieses Präsidenten.
Ein Präsident, der Entscheidungen von StudentInnen nicht berücksichtigt
und mit polizeilichen Mitteln die Interessen einiger weniger
Entscheidungsträger in der Hochschulverwaltung durchsetzen läßt, ist
nicht mehr tragbar. Ein Präsident und Professor, der nicht mehr in der
Lage ist, über die Bedeutung sozialer Integration gesellschaftlicher
Gruppen, sowie die bildungspolitischen Belange von Studierenden zu
reflektieren, sollte sich aus der hochschulpolitischen Landschaft
verabschieden.
Weiterhin machen wir darauf aufmerksam, daß auch der stellvertretende
Kanzler und Leiter der Bauabteilung, Dietmar Schröder, für die
gestellten Strafanzeigen und die Durchführung der harten polizeilichen
Räumung verantwortlich ist. Auch Schröders Fehlverhalten muß
Konsequenzen haben.
Die Anordnungen Brinckmanns und Schröders sind symptomatisch für eine
Hochschulpolitik, innerhalb derer auch die letzten Mitbestimmungsrechte
regelrecht abgesägt werden. Ein derartig ignorantes und autoritäres
Gebaren hat an dieser Hochschule keinen Platz!

Die Vorfälle in Kassel beweisen, daß das alte Hessische Hochschulgesetz
(HHG) vom 28.3.95 überarbeitet werden muß. Der §10 hat den Präsidenten
der Hochschulen zuviel Entscheidungskompetenz zugesprochen. Insbesondere
formuliert dies Absatz 2 und 3: „Der Präsident leitet die Verwaltung der
Universität in eigener Verantwortung [...]. Der Präsident wahrt die
Ordnung in der Universität und übt das Hausrecht aus". Wir befürworten
die Richtung des Neuentwurfs vom 9.10.97, welcher die Machtbefugnisse
der PräsidentInnen stärker eingrenzt. Die StudentInnenschaft muß in
wichtigen Fragen stärker einbezogen werden.

Ereignisse des Tages:
Ab 6:45 Uhr sind ein Sondereinsatzkommando der Polizei mit berittenen
Kräften und Sicherheitsdienst massiv auf dem Gelände Moritzstraße 27,
also dem Wagenplatz K18, aufgetreten, um BewohnerInnen und Wohn-Wägen
abzutransportieren die Baumaßnahmen der GHK (ein Parkgelände mit
Sportanlagen) durchzusetzen.
Spontan fanden sich 200 StudentInnen und UnterstützerInnen zusammen, die
- im Einklang mit dem Vollversammlungsbeschluß aller Studierenden - mit
einer Sitzblockade die Räumung des Bauwagenplatzes zu verhindern
versuchten.

Die berittene Polizei und SEK bringen daraufhin mit Schlagstockeinsatz
einen Gefangenentransporter auf den Platz. Alle BewohnerInnen und
UnterstützerInnen werden aufgefordert, unter Angabe der Personalien den
Platz freiwillig zu verlassen oder sich in den Gefangenentransporter zu
begeben. Die ersten Bauwagen werden vom Gelände gezogen,
UnterstützerInnen versuchen, durch Blockaden den Abtransport zu
verhindern, weil vor dem Verwaltungsgericht ein Wiederspruch gegen die
Räumung eingereicht wurde und noch keine Antwort vorlag. Somit war die
Rechtsgrundlage der Räumung zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht
geklärt.

Die berittenen PolizistInnen und SEKversuchten weiterhin, die friedliche
Blockade zu durchbrechen - in der Folge werden Menschen überritten und
an den Haaren aus der Blockade herausgezerrt, Photographierende wurden
verfolgt und zur Herausgabe der Filme gezwungen. Die Polizei wollte
offensichtlich eine Dokumentation des Räumungseinsatzes und ihrer
Vorgehensweise verhindern. Darüber hinaus war nach Aussagen der Polizei
kein Einsatzleiter vor Ort, womit nach eigenen Worten „das Chaos des
Einsatzes" begründet wurde.

Dies ist bei Räumungseinsätzen und Demonstrationen eine bekannte
Vorgehensweise der Polizei; hinterher wird das Fehlen eines
Einsatzleiters dementiert, während des Einsatzes gibt es jedoch keine
Wiederspruchs oder Kontrollinstanz in Form einer Einsatzleitung.- Die
Polizei schafft sich ihren eigenen rechtsfreien Raum. Wir werden
detailliert übergriffe der PolizistInnen dokumentieren und Anzeige
erstatten.

Solidarische ProfessorInnen verlegten nun ihre Alternativveranstaltungen
zur Sitzblockade. Daraufhin erfolgt Schlagstockeinsatz gegen die
Sitzblockade, gleichzeitig zeigt sich der Kanzler der GHK auf Anfrage
sehr betroffen, verweist aber darauf , daß die rechtliche Lage nicht
„gelöst" sei. Draußen geht der Prügeleinsatz gegen die Sitzblockade
weiter.

Bei der Hochschulverwaltung waren auf Anfragen zur Stellungsnahme weder
telefonisch noch per Fax Verantwortliche zu erreichen. Die Polizei
versucht, durch vehementen Schlagstockeinsatz die Bauwagen zum
Abtransport auf die Moritzstraße zu ziehen. Die Einsatzleitung ist nach
Aussagen der Polizisten nicht anwesend, deswegen weitere Eskalation und
Provokationen durch die Polizei. Aussagen von PolizistInnen zu Folge
liegt hier ein Hausfriedensbruch vor, Gesprächen von Schröder, Bauplaner
der GHK, und der Polizei zufolge sei eine Räumung nach HSOG (Gefahr im
Verzuge) rechtlich kein Problem.

Das Sondereinsatzkommando kommt richtig „in Fahrt" und eskaliert weiter,
wird noch brutaler: die Anzahl von Verletzten durch Pferde- und
Knüppeleinsatz häuft sich. Ein eintreffender Anwalt von K18 versucht,
die rechtliche Grundlage der Räumung festzustellen.

Die Antwort des Kasseler Verwaltungsgerichts trifft ein. Es verweist die
ausstehende Entscheidung in die Zuständigkeit des Oberlandesgericht
Frankfurt. Zeitgleich kesselt die Polizei eine Gruppe von
SitzblockiererInnen ein. Es kommt abermals zu Personalienfeststellungen.

Diverse DemonstrantInnen werden festgenommen und abtransportiert.
Einer der auf dem Platz verbliebenen Wagen, also die Wohnung eines
Studenten, wird von der Polizei vorsätzlich und systematisch zerstört.
Erneute Verhandlungsangebote an Präsident Brinckmann. Die Vorschläge,
die Bauwagen durch die Bewohner sofort, oder im Laufe des Tages selbst
wegschleppen zulassen, akzeptiert er nicht. Stattdessen sollen die Wagen
weiterhin in die Lilienthalstraße gezogen werden. Dort können sie dann
gegen Eigentumsnachweis ausgelöst werden.Brinckmann erklärt, die
Hochschulleitung wäre nicht an einer strafrechtliche Verfolgung
interessiert, er schloß aber nicht aus, daß die Bauverwaltung
Schadensersatzforderungen stellt, die dann auf die Eigentümer
zurückfallen würden.Studentische Aktionen vor dem GhK-
Verwaltungsgebäude. Erste Rücktrittsforderungen an Brinkmann
Immer mehr verletzte StudentInnen melden sich mit u.a. mit Kopfwunden,
schweren Augenverletzungen und durch Schlagstockeinsatz gebrochenen
Gliedmaßen im AStA-Büro. Das Verwaltungsgericht weigert sich die Räumung
des Platzes zu stoppen, solange die Entscheidung des Oberlandesgerichtes
aussteht. Inzwischen sind alle Wagen abtransportiert.
 

Streikende Kasseler Studierende fordern Uni-Präsident zum Rücktritt
auf

Der Koordinationsrat der Streikenden an der Universität Gesamthochschule
Kassel hat heute Uni-Präsident Prof.Dr. Hans
Brinckmann zum Rücktritt aufgefordert.

In einem weiteren Brief an die hessische Ministerin für Wissenschaft und
Kunst Dr.Christine Hohmann-Dennhardt fordern
die streikenden Kasseler Studierenden die sofortige Entlassung von
Brinckmann. Sie werfen ihm vor, die Fürsorgepflicht
gegenüber den Studierenden verletzt und grob fahrlässig gehandelt zu
haben. Brinckmann hatte am 27.November1997 die
gewaltsame Räumung des Wagenplatzes K18 angeordnet und damit rd.700
Studierende in Gefahr gebracht, die sich in
der Nähe des Geschehens zur Abfahrt nach Bonn trafen.

Die Streikenden lassen sich durch Brinckmanns Versuch, die streikenden
Studierenden und Hochschulangehörigen in
ihrem Engagement für den Streik zu teilen, jedoch nicht beirren.

Brinckmann hatte die Räumungsaktion mit massiver Polizeigewalt für die
frühen Morgenstunden des Tages der
Großdemonstration in Bonn angeordnet. Er war bereits letzten Freitag vom
Streikbüro über die Beteiligung an der
Demonstration in Bonn informiert worden.

Presseerklärung des AStA der GhK vom 28. 11. 1997

Der AStA der Gh Kassel fordert Herrn Prof. Dr. Hans Brinckmann
nachdrücklich auf von seinem Amt als Hochschulpräsident zurückzutreten.

Die Vollversammlung der Studierenden der GhK hat am Dienstag, dem
25.11.1997, mit großer Mehrheit beschlossen, den Streik auf unbestimmte
Zeit fortzusetzen. Ziel hierbei ist u.a., die Demokratisierung der
Hochschulen zu erreichen. Hierzu ist es erforderlich, daß die
Studierenden als gleichberechtigte Mitglieder in allen Gremien
mitbestimmen. Weitere Ziele unseres Streiks sind, daß das
selbstbestimmte Studium nicht von der Hochschulleitung behindert und das

Projektstudium ausgeweitet wird. Diese Ziele sind notwendig, damit die
Studierenden befähigt werden die gesellschaftlichen Entwicklungen
mitzugestalten.
Entgegen der Auffassung des Präsidenten sind die Studierenden der Gh
Kassel der Ansicht, daß die Fortführung des Streiks nicht die Lehre
behindert, sondern Lehrende und Lernende dazu herausfordert, sich
kritisch mit der Entwicklungsplanung des Präsidenten für die GhK
auseinanderzusetzen, insbesondere sich den Themen der Fachbereichs- und
Studiengangsschließungen zu widmen. Während es dem Präsidenten alleinig
darum zu gehen scheint, wie "seine Universität" die Aufgaben der Lehre
erfüllt, geht es den Studierenden um mehr:

1. Planungssicherheit in Bezug auf die Bereitstellung ausreichender
Ressourcen für Lehre und Forschung um zu verhindern, daß sich die
aktuelle katastrophale Situation im Bildungsbereich in immer kürzeren
Abständen wiederholt und indiesem Ausmaß bestehenbleibt
2. Planungssicherheit in Bezug auf eine emanzipatorische und gerechte
Finanzierung des Lebensunterhalts der Studierenden

Den Studierenden geht es nicht darum, mit der Hochschulleitung und den
Dekaninnen sowie den Dekanen nur in ein unverbindliches Gespräch zu
kommen, sondern mit ihnen in konkrete Verhandlungen über die künftige
Entwicklung der Hochschule zu treten. Die Äußerungen und das Verhalten
des Präsidenten gegenüber den Studierenden hat insbesondere in den
letzten Tagen gezeigt, mit welcher Mißachtung er studentischen
Interessen gegenübertritt. Anstatt auf unsere Forderungen in einem
konstruktiven Dialog einzutreten, versucht er die Studierenden
gegeneinander auszuspielen. Statt uns als gleichberechtigte Partner zu
akzeptieren, hat er durch seine provokative, einseitige
Machtdemonstration gezeigt, daß er studentische Entscheidungen
ignoriert.

Aus diesem Grund sehen wir uns gezwungen, dieses für uns unglaubwürdige
Gesprächsangebot abzulehnen und fordern Herrn Prof. Dr. Hans Brinckmann
nachdrücklich auf, von seinem Amt als Hochschulpräsident zurückzutreten.

AStA der Gh Kassel
 


 Hier geht es zurück zur Startseite des Wäglerarchivs

 Hier geht es zurück zum Inhaltsverzeichnis der Studie "Wagenleben - das Leben  wagen!?"